
© Leon Mart
10. November 2025
Nils Behrens
Eine neue Studie zeigt: Frauen erreichen denselben Herzschutz mit halb so viel Bewegung. Warum Estradiol dabei eine Schlüsselrolle spielt
Wie viel Bewegung braucht es, um das Herz zu schützen? Bisher galten die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation als geschlechtsneutral: 150 Minuten moderate bis intensive Aktivität pro Woche. Eine neue Studie im Fachjournal Nature Cardiovascular Research zeigt nun, dass das so nicht stimmt. Männer müssen sich deutlich mehr bewegen, um denselben Effekt zu erzielen.

Nils Behrens, Top-Gesundheitsexperte, Chief Brand Officer von Sunday Natural und Host des Podcasts HEALTHWISE
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Hong Kong analysierten Daten von über 80.000 Menschen aus der UK Biobank. Alle Teilnehmenden trugen eine Woche lang Beschleunigungssensoren, die objektiv aufzeichneten, wie aktiv sie waren.
Das Ergebnis: Frauen benötigen im Schnitt rund 250 Minuten Bewegung pro Woche, um ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 30 Prozent zu senken. Männer brauchen dafür mehr als 530 Minuten – also mehr als doppelt so viel.
Selbst nach Berücksichtigung von Alter, Gewicht, Schlaf, Ernährung, Rauchen und bestehenden Erkrankungen blieb dieser Unterschied bestehen. Frauen profitieren also messbar stärker pro Minute Bewegung.
Ein möglicher biologischer Grund: das Hormon Estradiol, das bei Frauen im gebärfähigen Alter in höherer Konzentration vorkommt. Es beeinflusst, wie der Körper beim Training Energie gewinnt, steigert die Fettverbrennung und unterstützt die Elastizität der Gefäße.
Zudem besitzen Frauen im Schnitt mehr sogenannte Typ-I-Muskelfasern – langsam zuckende Fasern, die auf Ausdauer und Fettstoffwechsel spezialisiert sind. Männer dagegen haben mehr schnell zuckende Fasern (Typ II), die kurzfristige Leistung erzeugen, aber weniger ökonomisch arbeiten.
Das könnte erklären, warum Frauen beim Ausdauertraining biochemisch „effizienter“ reagieren – und schon mit weniger Bewegung vergleichbare kardiovaskuläre Effekte erzielen.
Für Männer heißt das: Die bisherigen Richtwerte von 150 Minuten pro Woche reichen möglicherweise nicht, um die gleichen Schutzeffekte zu erreichen. Für Frauen dagegen ist die Botschaft ermutigend – schon moderate Bewegung hat einen spürbaren Effekt.
Doch die Studie ist beobachtend – sie zeigt Korrelationen, keine Kausalität. Um die Mechanismen hinter den Geschlechterunterschieden zu verstehen, sind weitere experimentelle Untersuchungen nötig.
Die Ergebnisse machen deutlich, dass geschlechtsneutrale Empfehlungen ihre Grenzen haben. Unsere Biologie reagiert unterschiedlich – und das gilt nicht nur für Medikamente, sondern auch für Bewegung. Wer versteht, wie der eigene Körper auf Training reagiert, kann seine Routinen präziser und nachhaltiger gestalten. Denn am Ende geht es nicht um Minuten oder Zahlen, sondern um Balance – und darum, den eigenen Rhythmus zu finden.
Nils Behrens ist der Chief Brand Officer von Sunday Natural und Host des Podcasts HEALTHWISE. Außerdem unterrichtet der gefragte Health-Experte als Dozent an der Hochschule Fresenius. Vorher arbeitete Behrens über 12 Jahre als Chief Marketing Officer der Lanserhof Gruppe und Gastgeber des erfolgreichen „Forever Young“-Podcasts.