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Universitätsklinikum Regensburg – Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
Es war schon etwas Besonderes für Prof. Dr. Christopher Bohr, als er 2017 die Leitung der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) übernahm. Ihm gelang, was nur selten vorkommt: Schon seine erste Bewerbung auf einen Lehrstuhl führte zum Erfolg – und das mit nur 43 Jahren! Und dann auch noch in seiner Geburtsstadt Regensburg. Ein Ziel, das man bei aller fachlichen Expertise und größtem Engagement nicht planen kann – hinzukam, wie er selbst sagt, das nötige Quäntchen Glück.
Arzt zu werden, war für Prof. Dr. Christopher Bohr schon sehr früh das Ziel. Als Sechsjähriger durfte er im Operationssaal zusehen, als ein befreundeter Chefarzt das verletzte Bein seines besten Freundes nähte. „Mich hat diese Atmosphäre sofort gepackt. Das Gefühl, etwas wieder gesund zu machen, hat mich nicht mehr losgelassen.“ Über einen ästhetischen Eingriff, den er im Praktikum an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik in Erlangen sah – eine Patientin bekam nach Tumoroperation eine neue Nase, rekonstruiert von dem Arzt, der später sein Doktorvater werden sollte – deutete sich dann auch die Fachrichtung an. Als gegen Ende seines Studiums die ersten Cochlea-Implantate in Deutschland eingesetzt wurden, von denen er schon als Student fasziniert war, stand die Entscheidung fest: „Die Vorstellung, Taubheit durch Technik zu überwinden, war und ist unglaublich faszinierend. Mir wurde klar: Das will ich machen.“
„Die Vorstellung, Taubheit durch Technik zu überwinden, war und ist unglaublich faszinierend.“
Prof. Dr. Christopher Bohr
Da solche Eingriffe nur möglich sind, wenn man in einer hochspezialisierten Klinik arbeitet, war der Weg vorgezeichnet. Und der verlief dann ziemlich geradlinig. Nach der damals noch vorgeschriebenen Zeit als Arzt im Praktikum, der anschließenden Approbation im Jahr 2004 und der Promotion ein Jahr später, legte er 2008 die Facharztprüfung für das Fachgebiet Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde ab und erwarb zudem fünf Jahre später den Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie. Anschließende Auslandsstationen führten ihn z. B. an die Mayo Clinic in Rochester/USA. Nach seiner Habilitation erhielt er mit 40 Jahren den Ruf auf eine Professur nach Erlangen. Dort wurde er gleichzeitig Leiter der Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie. Nur drei Jahre später wurde er Lehrstuhlinhaber für den Fachbereich Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Direktor der Klinik und Poliklinik des gleichnamigen Fachbereichs am Universitätsklinikum Regensburg.
Die Regensburger HNO-Klinik deckt das gesamte Fachgebiet ab – von Tumorchirurgie, plastischen Rekonstruktionen, Hörimplantaten über Tinnitus, Nasen- und Nebenhöhlenoperationen, Stimm- und Schluckdiagnostik, Schilddrüsenerkrankungen bis hin zur Behandlung komplexer Schlafstörungen. Mit 57 Betten, rund 20.000 Patienten pro Jahr und etwa 4.000 Eingriffen gehört sie zu den kleineren Universitätskliniken Deutschlands – was für den Direktor aber ein klarer Vorteil ist: „Wir sind groß genug für Spitzenmedizin, aber klein genug, um persönlich zu bleiben.“
Zu Prof. Dr. Bohrs Spezialgebieten gehört – und auch hier schließt sich ein Kreis – das Cochlea-Implantat. Dabei handelt es sich um eine spezielle Hörprothese, die es Kindern und Erwachsenen mit hochgradigem Hörverlust oder Gehörlosigkeit ermöglicht, über Elektroden, die ins Innenohr implantiert werden, und einem Sprachprozessor hinter dem Ohr zu hören. Klingt einfach, muss aber erlernt werden. Und hier kommt ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des UKR ins Spiel: das eigene Reha-Zentrum in Straubing, in dem die Patientinnen und Patienten innerhalb von etwa zwei Wochen ambulant Hören mit dem Implantat lernen. „Hier haben wir den großen Vorteil, weil die Rehabilitation in einer Hand ist – Chirurgie und Nachsorge greifen so nahtlos ineinander“, freut sich der Mediziner. Und er sieht in dem schon ausgefeilten System noch viel Entwicklungspotenzial. So kann er sich vorstellen, dass etwa die Signalanregung in naher Zukunft nicht mehr über einen elektrischen Impuls, sondern über einen Lichtimpuls stattfinden wird. Und auch KI wird hier noch differenzierte Lösungen der Informationsvermittlung für die Patienten liefern können.
„Wir sind groß genug für Spitzenmedizin, aber klein genug, um persönlich zu bleiben.“
Prof. Dr. Christopher Bohr
Hörstörungen sollte man, auch wenn sie geringer sind, möglichst schnell beheben, rät Prof. Dr. Bohr. Besonders im Alter – denn sie tragen erwiesenermaßen zum Fortschreiten von Demenzerkrankungen bei, weil die Menschen wegen des schlechteren Hörens nicht mehr aktiv am täglichen Leben teilnehmen können und sich sozial zunehmend isolieren.
Zu den besonderen Kompetenzen von Prof. Dr. Bohr zählt außerdem die Rekonstruktion des Gesichtsnervs (Nervus facialis). Schädigungen, die nach Tumoren, Verletzungen, Entzündungen oder einem Schlaganfall entstehen, können zu Lähmungen und Verlust der Mimik führen (Facialisparese). Kann man den Nerv anderweitig nicht mehr aktivieren, wird in Regensburg hierfür ein spezielles Nerven-Muskel-Transplantat aus dem Oberschenkel eingesetzt. „Dadurch kann der Patient wieder Bewegungen ausführen – bis hin zum Lächeln.“ Diese hochspezialisierte Technik beherrschen nur wenige Zentren in Deutschland. Die Klinik pflegt hier zudem enge Kooperationen mit führenden US-Kliniken.
Ausgewiesene Expertise hat Prof. Dr. Bohr zudem in der Nasen- und Nasennebenhöhlenchirurgie – ein Bereich, der schon aufgrund der anatomischen Nähe zu Auge und Gehirn viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordert. Dazu gehören z. B. die Korrektur von Nasenscheidewandverkrümmungen oder Nasenmuscheln, aber auch von Engstellen, hervorgerufen durch Nasennebenhöhlenentzündungen. Beides kann die Nasenatmung wesentlich beeinträchtigen. Und weil das Umfeld so diffizil ist, kommen hier modernste, navigationsgestützte Verfahren zum Einsatz. „Weil man damit immer genau sieht, wo man ist, erhöhen sie die Sicherheit und sind auch besonders schonend“, so der Experte.
Ein weiterer Schwerpunkt der Klinik ist die Behandlung der Schlafapnoe. Dabei entspannt sich im Tiefschlaf die Muskulatur so stark, dass die Zunge nach hinten rutscht und den Atemweg blockiert – es kommt zu Atemaussetzern. Die Regensburger HNO-Klinik bietet hier eine innovative Therapie: den Zungenschrittmacher. „Er wird an den Zungennerven angeschlossen, die die Zunge nach vorne bewegen. Immer wenn der Patient einatmet, gibt der Schrittmacher ein Signal, und die Zunge wird aus dem Atemweg herausgeführt, sodass die Patientinnen und Patienten wieder frei atmen können“, erklärt Bohr. Eine echte, wenn auch teure, Alternative zur Schlafapnoe-Maske als Goldstandard. Leider werden die Kosten von den Kassen erst übernommen, wenn die herkömmliche Methode nachweislich nicht funktioniert.
Sein Anspruch ist, durch eine enge Verzahnung von Krankenversorgung, Forschung und Lehre allen Patientinnen und Patienten moderne Diagnostik, chirurgische Exzellenz und innovative Therapieverfahren anzubieten, um ihre Lebensqualität nachhaltig zu verbessern. Denn der Mensch steht immer im Mittelpunkt. Dafür geben er und sein Team alles. Das Tempo und den langen Atem dafür hat er auch – fährt der begeisterte Rennradler in seiner knapp bemessenen Freizeit schon mal den Arber-Radmarathon. Was ihn glücklich macht? „Am schönsten sind die Momente, wenn ein Patient, der vorher nicht hören konnte, plötzlich wieder am Leben teilnimmt – oder wenn jemand nach einer Gesichtsnervenrekonstruktion zum ersten Mal wieder lächelt“, sagt Prof. Dr. Bohr. „Das sind die Momente, für die ich diesen Beruf liebe.“ Und in denen er ganz sicher weiß, dass er alles genauso wieder machen würde – auch wenn der Weg zur Spitzenmedizin intensiv und fordernd war.