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20. November 2025
Marianne Waldenfels
Hitzewallungen, Migräne, Schamgefühle, depressive Verstimmungen – Naomi Watts gehört zu den ersten prominenten Frauen, die offen über die Wechseljahre spricht. In ihrem Buch "Jetzt schon?" geht es unter anderem um Symptombekämpfung, Libido und das Steigern der Lebensqualität
Naomi Watts Geschichte ist ungewöhnlich. Mit nur 36 Jahren - einem Alter, in dem die meisten Frauen noch nicht einmal an Wechseljahre denken - ging sie zum Arzt, weil sie mit ihrem damaligen Partner, dem Schauspieler Liev Schreiber, eine Familie gründen wollte und nicht schwanger wurde. Doch in der Praxis erhielt sie eine schockierende Diagnose: Sie stehe kurz vor den Wechseljahren. Die Menopause – mit diesem Thema hatte sie sich noch überhaupt nicht beschäftigt, es schien Lichtjahre entfernt zu sein.
Plötzlich konnte sie sich jedoch einige Symptome erklären, mit denen sie in den vergangenen Monaten zu kämpfen gehabt hatte. „Unter nächtlichem Schwitzen litt ich schon seit einer Weile, aber kein Arzt – und ich hatte jede Menge Ärztinnen und Ärzte aufgesucht, da man vor dem Beginn der Dreh- arbeiten zu einem neuen Film stets einen Gesund-heitscheck machen muss – hatte je viel darauf gegeben,“ erklärt Watts in ihrem Buch Jetzt schon?

Dass ihre Periode immer häufiger kam, manchmal alle 15 oder 18 Tage, sei ihr zwar seltsam vorgekommen, sie habe es allerdings nicht mit den Wechseljahren in Verbindung gebracht. „Als ich nun jedoch in der Arztpraxis saß, erfuhr ich, dass die unregelmäßige Periode und das nächtliche Schwitzen in Wahrheit Symptome der Perimenopause waren und nichts mit einem stressigen Nachtdreh oder einem Glas Wein zu viel beim Abendessen zu tun hatten.“ Der fehlende Austausch und die mangelnde Aufklärung verstärkten ihr Leiden. Erst allmählich wurde ihr bewusst: Sie war nicht allein – die Hälfte der Weltbevölkerung durchlebt diese Phase.
Dr. Sharon Malone, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Washington, D. C., und Chefärztin bei Alloy Women’s Health und eine der führenden Wechseljahre-Expertinnen in den USA, sagt dazu allerdings: „Wir müssen verstehen – und das wurde in mehreren Studien belegt –, dass Leiden als Teil des Frauseins normalisiert wurde. Wir leiden unter Krämpfen, wir leiden beim Gebären, wir leiden unter dem prämenstruellen Syndrom.
Diese Phänomene, die ausschließlich Frauen betreffen, sind allgemein schlechter erforscht. Weil das Leiden bei Frauen als selbstverständlich gilt, hat man kaum versucht, wirksame Maßnahmen dagegen zu entwickeln. Frauen übertreiben. Sie sind hysterisch. Es existiert alles nur in ihrem Kopf. Diese Wahrnehmung ist in der Medizin leider auch heute noch weitverbreitet. Frauen haben immer noch das Gefühl, nicht gehört, nicht gesehen und nicht ernst genommen zu werden. Und genau darin liegt das Problem.“
Etwa neun Millionen Frauen sind in Deutschland in den Wechseljahren. Als Wechseljahre oder Klimakterium be-zeichnet man den Zeitabschnitt der hormonellen Umstellung am Ende der fruchtbaren Lebensphase. Mediziner unterteilen diesen Zeitraum in die Perimenopause – die Zeitphase kurz vor dem Ausbleiben der Menstruation, darauf folgt die Menopause – der Zeitpunkt der letzten Menstruation, nach dem dann mindestens 12 Monate lang keine Blutung folgt. Ihr schließt sich die Postmenopause an.
Mit 42, nicht lange nach der Geburt ihres zweiten Kindes, begann Naomi Watts dauerhaft unter Wechseljahresbeschwerden zu leiden. „Einmal war ich im Flugzeug, als mich eine Hitzewallung überkam. In diesem Moment hatte ich das Gefühl zu ersticken. Die Hitze war überwältigend, aber weniger wie bei warmem Klima, sondern als würde einem die Schamesröte ins Gesicht steigen. Ich hatte das Gefühl: Oh Gott, ich muss sofort raus hier!
Ich befand mich jedoch auf dem Mittelplatz und war schon ein paar Mal aufgestanden, um zur Toilette zu gehen – sehr zum Missfallen meines Sitznachbarn, der mir böse Seitenblicke zugeworfen hatte. Deshalb blieb ich sitzen und wünschte mich in Gedanken weit weg. Wenn es einen Knopf gegeben hätte, mit dem ich mich aus dem Flugzeug hätte katapultieren können, dann hätte ich ihn gedrückt und dem Kerl auf dem Gangplatz den Mittelfinger gezeigt.“
Hitzewallungen werden von Hormonschwankungen ausgelöst. Naomi Watts’ Tipp: „Kleiden Sie sich nach dem Zwiebelprinzip, sodass Sie sich schnell ausziehen können, falls es zu einer Hitzewallung kommt. Tragen Sie atmungsaktive Baumwollstoffe. Sorgen Sie für ausreichend Schlaf und trinken Sie viel Wasser.
Achten Sie auf mögliche Auslöser, und meiden Sie Nahrungsmittel und Getränke, die Hitzewallungen begünstigen, wie scharf gewürztes Essen, Alkohol und Koffein – also kurz: alles, was Spaß macht. Wenn Sie spüren, dass eine Hitzewallung im Anmarsch ist, trinken Sie Eiswasser oder legen Sie sich ein Kühlpad in den Nacken. Eine Freundin von mir schwört auf ihren tragbaren Nackenventilator, der wie ein Paar Kopfhörer aussieht.“
Die Wechseljahre können bei jeder Frau anders ausfallen. Manche leiden über viele Jahre hinweg an schlimmen perimenopausalen Symptomen wie Hitzewallungen, Blasenentzündungen, Schlafstörungen, Migräne, Stimmungsschwankungen oder Gewichtszunahme, während andere nahezu symptomfrei bleiben. In Jetzt schon? kombiniert Naomi Watts ihre persönliche Geschichte mit fundierten medizinischen Informationen und praktischen Ratschlägen.
Sie schreibt unter anderem über ihre eigene Unfruchtbarkeitsstory, Hormonersatztherapie, Schamgefühl und Libido, Ernährung, Schlaflosigkeit und Brain Fog – und hat zu diesen Themen führenden Expertinnen befragt, darunter Dr. Mary Claire Haver, eine renommierte Hormonexpertin und Bestsellerautorin, Dr. Sharon Malone, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Washington, D. C., eine der führenden Wechseljahreexpertinnen in den USA, und Sozialpsychologin Dr. Carol Tavris. „Die wichtigste Erkenntnis über die Symptome der Menopause ist, dass sie ganz unterschiedlich ausfallen“, sagt Tavris, die zusammen mit Dr. Avrum Bluming das Buch Östrogen! geschrieben hat.
„Kein Wunder, dass viele Frauen sie nicht als Teil des Gesamtpakets Wechseljahre begreifen. Mit Gelenk- und Muskelschmerzen geht man zum Rheumatologen. Mit Herzrasen zum Kardiologen. Mit Depressionen zum Psychiater. Erst wenn wir begreifen, dass all das zu den Veränderungen gehört, die durch das Absinken des Östrogenspiegels und andere Aspekte der Menopause im Körper ausgelöst werden können, fällt es uns plötzlich wie Schuppen von den Augen.“
Bei vielen Frauen in den Wechseljahren sinkt die Libido, auch, durch den Rückgang der Sexualhormone. Als Naomi Watts nach ihrer Trennung von Liev Schreiber wieder anfing zu daten, sei sie etwas außer Übung gewesen, erzählt sie. Kennengelernt hatten sich Watts und ihr heutiger Ehemann, der Schauspieler Billy Crudup, 2017 am Set der Netflix-Thrillerserie Gypsy. Darin spielt Watts eine Therapeutin mit einer dunklen Seite.
„Als wir zum ersten Mal abseits der Kamera miteinander schlafen wollten, entschuldigte ich mich, bevor es zur Sache gehen würde, mit den Worten: „Ich will mir nur etwas Bequemeres anziehen … ich bin gleich wieder da.“ Als wäre es 1953 und ich hätte ein Negligé in der Tasche.
Dann ging ich ins Bad, zog mich aus und versuchte verzweifelt, das Hormonpflaster von meiner Haut abzukratzen. Das Pflaster trug ich schon ein paar Jahre, seit ich mit der Hormontherapie begonnen hatte. Ich hatte Angst, dass ihm, wenn er es sieht, klar werden würde, dass ich in den Wechseljahren bin: nicht länger ein lebenssprühendes, fruchtbares Geschöpf. Was, wenn er noch ein Kind wollte?“
Das Ende der Fruchtbarkeit der Frau und die vielfältigen Beschwerden, die damit einhergehen können: Auch wenn der Aufklärungsbedarf noch hoch ist, wird darüber endlich öffentlich gesprochen: Den Anfang machte die Gynäkologin Sheila de Liz, die im Jahr 2020 ihren Ratgeber Woman on Fire veröffentlichte, in dem de Liz leicht verständlich und sehr unterhaltsam über Symptome aufklärt und erklärt, was dagegen helfen kann. Viele Frauen bezeichnen das Buch heute als ihre Rettung, denn das neue Bewusstsein für die Wechseljahre führt dazu, dass Frauen eine bessere Behandlung erhalten.
Auch in der Unterhaltungsliteratur haben die Wechseljahre Einzug gehalten – zum Beispiel mit Miranda Julys hochgelobten Roman Auf allen vieren. Das Buch wurde zum Bestseller. Wer einen Krimi zum Thema Menopause sucht dem sei Morden in der Menopause von Tine Dreyer empfohlen.
Der Begriff Menopause stammt übrigens aus dem Jahr 1812 und wurde von dem französischen Arzt Dr. Charles-Pierre-Louis de Gardanne geprägt. Das Wort „ménèpausie“ ist die Kombination aus griechisch „menes“ für Monat und „pausie“, griechisch für Ende. 1821 wandelte de Gardanne den Begriff zu „ménopause“ um, und irgendwann verschwand der Akzent in der medizinischen Literatur.
Naomi Watts hat mittlerweile ihren Frieden mit den Wechseljahren geschlossen – nicht zuletzt dank einer Hormonersatztherapie. Diese war nach Studien in den Jahren 2002 und 2004 in Verruf geraten, die Ergebnisse sorgten für Schlagzeilen: Die Forschenden stellten eine Häufung bestimmter Erkrankungen fest, darunter koronare Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Brustkrebs.
Allerdings wurden die Frauen damals mit hochdosierten Hormonpräparaten behandelt, die in Europa kaum eingesetzt wurden. Zudem waren rund zwei Drittel der Frauen übergewichtig und einige litten unter Vorerkrankungen wie Diabetes und koronaren Herzerkrankungen. Deswegen haben die Autorinnen und Autoren der WHI-Studie die Resultate ihrer Arbeit mittlerweile neu bewertet.
„Die Hormontherapie war natürlich kein Wundermittel, das sämtliche Beschwerden im Handumdrehen verschwinden ließ. Aber es ging mir sofort viel besser. Ich erwachte nachts nicht mehr schweißgebadet und mit dem Gefühl, dass meine Bettdecke mich umbringen wollte“, schreibt Naomi Watts. „So habe ich im Alltag zu einer neuen Balance gefunden. Zugleich hat die Hormontherapie mir dabei geholfen, emotional im Gleichgewicht zu bleiben.
Bei vielen Frauen wirkt HRT gegen Stimmungsschwankungen und verbessert den Schlaf, was ein Hauptgrund für emotionalen Aufruhr sein kann. Ich will keiner Frau vorschreiben, was sie mit ihrem Körper machen soll, aber ich möchte darauf hinweisen, dass niemand unnötig leiden muss und es keinen Grund gibt, eine Hormontherapie pauschal abzulehnen, aus Angst, sie könnte unsicher sein.“