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13. November 2025
Marianne Waldenfels
Diabetes Typ 2 kann durch falsche Ernährung und Bewegungsmangel entstehen. Eine Expertin erklärt, wie Sie durch einfache, wirkungsvolle Änderungen im Alltag die Krankheit vermeiden können

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Mit
Dr. med. Alexandra Schoeneich
Diabetes mellitus ist längst zur Volkskrankheit geworden. Allein in Deutschland leben über acht Millionen Menschen mit der Diagnose – Tendenz steigend. „Unser ungesunder westlicher Lebensstil mit vor allem zu wenig Bewegung und dem Verzehr verarbeiteter, hochkalorischer Nahrungsmittel und zuckerhaltiger Getränke führen zur Gewichtszunahme, Insulinresistenz und zu Typ-2-Diabetes,“ erklärt Dr. Alexandra Schoeneich, Partnerin im Diabetes-, Hormon- und Stoffwechselzentrum am Isarklinikum München. Die gute Nachricht: Typ-2-Diabetes lässt sich durch einen gesunden Lebensstil oft verhindern oder zumindest deutlich hinauszögern.
Bei Diabetes ist der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht. Während Typ-1-Diabetes meist genetisch bedingt ist und bereits im Kindes- oder Jugendalter auftritt, entwickelt sich Typ-2-Diabetes schleichend – oft über Jahre hinweg. Übergewicht, Bewegungsmangel und eine ungünstige Ernährung sind die Hauptrisikofaktoren.
Die Körperzellen reagieren zunehmend unempfindlich auf das Hormon Insulin, das den Zucker aus dem Blut in die Zellen transportieren soll. Wie stark beeinflusst der Konsum von Zucker das Diabetes-Risiko? Dr. Schoeneich: „Es kommt immer auf die Menge des Zuckers an und wie der Zucker verzehrt wird - alleine oder in Begleitung von Fett oder Eiweiß. Das ist besser, beispielsweise innerhalb einer Mahlzeit.
Isolierte Zucker lassen den Blutzucker schneller ansteigen als Zucker, der in Begleitung kommt, wie ein Stück Pflaumenkuchen mit Sahne. Täglicher und häufiger Verzehr von Zucker, ob isoliert oder in Begleitung, kann allerdings - neben Übergewicht - eine Insulinresistenz begünstigen und somit das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöhen."
Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert die Insulinempfindlichkeit der Zellen und senkt den Blutzuckerspiegel. Dabei muss es nicht gleich Hochleistungssport sein: Zügiges Spazierengehen, Radfahren, Schwimmen oder Tanzen sind ideal. Wichtig ist die Regelmäßigkeit – integrieren Sie Bewegung in Ihren Alltag, nehmen Sie die Treppe statt des Aufzugs und gehen Sie öfter zu Fuß. „150 Minuten moderate Bewegung und mindestens zwei moderate Krafteinheiten pro Woche können das Risiko für Typ 2 Diabetes senken“, so Dr. Alexandra Schoeneich.
Übergewicht, besonders Bauchfett, erhöht das Diabetes-Risiko erheblich. Schon eine moderate Gewichtsreduktion von fünf bis zehn Prozent kann die Insulinempfindlichkeit deutlich verbessern. Setzen Sie sich realistische Ziele und vermeiden Sie Crash-Diäten – eine langsame, aber nachhaltige Gewichtsabnahme ist erfolgversprechender.
Eine ausgewogene Ernährung ist der Schlüssel zur Prävention. Setzen Sie auf vollwertige Lebensmittel: Vollkornprodukte statt Weißmehl, viel Gemüse und Obst, gesunde Fette aus Nüssen, Olivenöl und fettem Fisch. Reduzieren Sie zuckerhaltige Getränke und Fertigprodukte. Die mediterrane Ernährung hat sich als besonders vorteilhaft erwiesen. Achten Sie auch auf regelmäßige Mahlzeiten – das verhindert extreme Blutzuckerschwankungen.
Können populären Ernährungsforme wie Low Carb oder Intervallfasten präventiv gegen Typ-2-Diabetes wirken? Dr. Alexandra Schoeneich: "Low carb bis moderate low carb Ernährung kann bei richtiger Anwendung gut in der Prävention des Typ-2-Diabetes eingesetzt werden. Beide Formen können signifikant den Langzeit Blutzucker senken und führen meist anfänglich zu einer Gewichtsreduktion.
Auch ist es hierbei erforderlich, auf die Auswahl an natürlichen Lebensmitteln, komplexen Kohlenhydraten, ungesättigten Fettsäuren etc. zu achten. Das Intervallfasten (16:8) kann ebenfalls für die Prävention des Typ-2-Diabetes sinnvoll sein. Es kommt allerdings auch hierbei darauf an, welche Lebensmittel und wie viel davon konsumiert werden.
Besteht der Verzehr zum Beispiel überwiegend aus verarbeiteten, fettreichen und zuckerhaltigen Lebensmitteln oder generiert sich durch den Verzehr ein Kalorienüberschuss, so wird diese Ernährungsform auch nicht präventiv."
„Stress und Schlafmangel fördern durch die Freisetzung von Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol die Zuckerfreisetzung aus der Leber und hemmen die Insulinwirkung an den Zellen. Aus diesem Grund kommt es insgesamt zu einer Blutzuckererhöhung“, so Dr. Alexandra Schoeneich. Wichtig: individuelle Strategien zur Stressbewältigung entwickeln, wie Meditation, Yoga, autogenes Training oder einfach regelmäßige Auszeiten im Alltag. Ausreichend Schlaf ist genauso wichtig – am besten sieben bis acht Stunden.
Lassen Sie Ihren Blutzucker regelmäßig kontrollieren, besonders wenn Sie zu einer Risikogruppe gehören. Dazu zählen Menschen mit Übergewicht, familiärer Vorbelastung, über 45-Jährige sowie Frauen, die während der Schwangerschaft einen Schwangerschaftsdiabetes hatten. Eine frühzeitige Diagnose von Prädiabetes – einer Vorstufe – ermöglicht rechtzeitiges Gegensteuern
Groß angelegte Studien und Metaanalysen bestätigen, dass verschiedene Ernährungsansätze – von pflanzlich über mediterran bis hin zu kohlenhydratarm – positive Effekte auf Stoffwechsel, Blutzuckerwerte und Komplikationsrisiken bieten. Programme, die Menschen in der konkreten Umsetzung unterstützen, z.B. das Diabetes-Präventionsprogramm in England, konnten die Entwicklung von Diabetes in nationalen Gesundheitsdatensätzen messbar verringern.
Je höher das individuelle Risiko – etwa durch Prädiabetes oder erbliche Vorbelastung – desto umfassender sollten die präventiven Maßnahmen umgesetzt werden. Moderne Risiko-Scores helfen dabei, das persönliche Diabetesrisiko genauer zu bestimmen und gezielt dagegen zu steuern.
Diabetes Typ 2 ist durch eine rechtzeitige und konsequente Lebensstiländerung in den allermeisten Fällen vermeidbar. Eine gesunde Ernährung, mehr Bewegung, Verzicht auf Nikotin und ein normales Körpergewicht bilden die wissenschaftlich belegten Grundpfeiler effektiver Prävention. Für Menschen mit erhöhtem Risiko ist eine ärztliche Beratung und ein individuell zugeschnittener Präventionsplan besonders empfehlenswert.