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11. November 2025
Marianne Waldenfels
Rückenschmerzen sind ein allgegenwärtiges Problem – doch oft bleibt die Ursache im Verborgenen. Prof. Dr. Musa Citak, Orthopäde und Unfallchirurg, erklärt, warum 80 Prozent der Patienten falsch behandelt werden und wie seine innovative 6-Quadranten-Methode Rückenschmerzen lindert
Rückenschmerzen sind nicht gleich Rückenschmerzen – viele Betroffene bleiben deswegen gefangen in einem System aus Schmerzmitteln, Physiotherapie und letztlich OP-Empfehlungen. Kann es sein, dass die Ursache der Schmerzen oft gar nicht erkannt wird? Prof. Dr. Musa Citak, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, kennt diesen Teufelskreis als Arzt - und aus eigener Erfahrung: Zehn Jahre lang litt er selbst unter chronischen Rückenschmerzen.
Diese Zeit führte ihn zur Entwicklung der 6-Quadranten-Methode, einer innovativen Diagnostik, die genau dort ansetzt, wo klassische Verfahren versagen. In seinem neuen Buch "Die Rückenrevolution" erzählt Citak von seinen persönlichen Erfahrungen und zeigt, wie man Schmerzauslöser präzise lokalisiert, gezielt ausschaltet und endlich ein schmerzfreies führen kann.
80 % der Deutschen leiden unter Rückenschmerzen. Was machen wir falsch?
Das größte Problem ist, dass im Bereich der Rückenschmerzen unglaublich viele Fehler passieren – angefangen bei der Diagnosestellung bis hin zur Therapieentscheidung. Das liegt vor allem daran, dass wir Schmerzen in der modernen Medizin nicht objektiv messen können. Wir können Blut abnehmen, Bilder machen, Laborwerte bestimmen – aber wir können den Schmerz selbst nicht sehen, nicht anfassen, nicht messen. Und was man nicht messen kann, interpretiert man.
Wenn man also im MRT eine Abnutzung oder einen Bandscheibenvorfall sieht, wird das schnell als Ursache des Schmerzes gedeutet – und dann wird operiert. Doch das ist oft ein Trugschluss. Denn Rückenschmerz ist nicht gleich Rückenschmerz.
Wir unterscheiden zwischen spezifischen Schmerzen, also solchen mit klar erkennbarer Ursache, etwa einem Nervenwurzelreiz, und unspezifischen Schmerzen, bei denen wir im MRT oder Labor keine eindeutige Erklärung finden. Letztere sind die häufigsten – und zugleich die schwierigsten.
Viele Patienten haben Schmerzen, die ins Bein ausstrahlen, aber gar nichts mit der Nervenwurzel zu tun haben. Ein verspannter Beckenmuskel oder eine gereizte Sehne kann genau das gleiche Gefühl auslösen. Trotzdem werden solche Beschwerden oft operiert oder „eingerenkt“. Warum? Weil jeder Behandler zunächst das tut, was er am besten kann.
Der Operateur operiert.
Chirotherapeut renkt ein.
Der Faszientherapeut behandelt die Faszien.
Der Physiotherapeut trainiert die Muskeln.
Aber wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles aus wie ein Nagel.
Und genau hier liegt die Krux: Schmerz ist vielschichtig. Er ist nie nur körperlich, sondern immer auch biochemisch, nerval und emotional. Wenn wir ihn auf eine einzige Ursache reduzieren, behandeln wir nur einen Bruchteil des Problems.
Ein weiterer Punkt ist, dass die meisten Schmerzen ohnehin innerhalb von sechs bis acht Wochen von selbst verschwinden – ganz ohne Therapie. Das bedeutet: Ganz gleich, welche Behandlung in dieser Zeit gemacht wird, sie scheint zu wirken, weil der Schmerz ohnehin abgeklungen wäre. Das erklärt, warum nahezu jede Methode in den ersten Wochen „Erfolge“ feiert.
Die wahren Herausforderungen beginnen dort, wo der Schmerz chronisch wird – also länger als drei Monate anhält. Diese Patienten brauchen keine Beschäftigungstherapie, sondern eine präzise, ganzheitliche Diagnostik. Doch genau das fehlt im System. Es gibt kaum spezialisierte Einrichtungen, die sich auf die Ursachenforschung bei chronischen Schmerzen konzentrieren. Stattdessen landen viele Betroffene in Rückenkursen oder psychosomatischen Programmen, wo sie lernen sollen, „mit dem Schmerz zu leben“.
Aber ich bin überzeugt: Wir sollten den Schmerz nicht akzeptieren – wir sollten ihn verstehen. Nur wer die wahre Ursache erkennt, kann den Körper wieder in Balance bringen und echte Heilung ermöglichen.
Wie sieht ein klassischer Rückenschmerzpatient aus?
Rückenschmerz ist nicht gleich Rückenschmerz – und auch die Patienten, die zu uns kommen, sind sehr unterschiedlich. Im Wesentlichen begegnen wir in der Praxis drei Typen von Rückenschmerzpatienten.
Der erste Typ ist der klassische Akutpatient – der „Hexenschuss“.
Diese Menschen kommen oft völlig verzweifelt in die Praxis: gekrümmt, vorsichtig gehend, kaum in der Lage, sich zu setzen oder aufzustehen. Jede Bewegung ist schmerzhaft, der Körper ist in einer Art Schutzhaltung gefangen. Sie finden keine Position, in der es wirklich besser wird – weder im Stehen, Sitzen noch Liegen.
Dieser Zustand wirkt dramatisch, aber in den meisten Fällen steckt keine gefährliche Struktur dahinter. Wenn man die richtige Ursache erkennt und gezielt behandelt, erholt sich der Körper meist schnell wieder.
Der zweite Typ sind die chronisch-latenten Rückenschmerzpatienten.
Bei ihnen ist der Schmerz wie ein leises Grundrauschen, das nie ganz verschwindet. An manchen Tagen stärker, an anderen fast unmerklich – aber immer da. Hin und wieder gibt es Schmerzspitzen, die dann wieder abklingen, bis alles wieder ins bekannte Rauschen zurückkehrt. Viele dieser Patienten haben sich mit ihrem Schmerz arrangiert. Sie verändern ihren Alltag, vermeiden bestimmte Bewegungen, planen ihre Energie. Sie leben – aber sie leben um den Schmerz herum. Und genau das ist gefährlich, denn je länger der Körper in diesem Zustand bleibt, desto mehr verfestigen sich Fehlhaltungen und neuronale Schmerzbahnen.
Der dritte und gefährlichste Typ sind die Patienten, die gar keine Rückenschmerzen haben – sondern nur Schmerzen im Bein.
Diese Betroffenen sind überzeugt, dass ihr Problem im Bein liegt. In Wahrheit liegt die Ursache jedoch oft in der Wirbelsäule: ein Bandscheibenvorfall oder eine Nervenwurzelreizung, die ins Bein ausstrahlt. Besonders alarmierend wird es, wenn der Schmerz plötzlich verschwindet – aber das Bein taub wird oder an Kraft verliert. Das ist kein gutes Zeichen, sondern ein Warnsignal des Körpers: Der Nerv ist bereits stark geschädigt. Das ist ein akuter Notfall, der sofort abgeklärt werden muss, um dauerhafte Schäden zu verhindern.
Rückenschmerz ist also nicht einfach ein Symptom – er ist ein Spiegel der inneren Dynamik des Körpers. Jeder Schmerz erzählt eine Geschichte, und wer genau hinhört, kann viel über seine Ursache erfahren. Nur wenn wir diese Muster verstehen, können wir den Schmerz wirklich an der Wurzel behandeln – und nicht nur an der Oberfläche lindern.
Ist das bei Männern und Frauen unterschiedlich?
Ja, Rückenschmerzen zeigen sich bei Männern und Frauen tatsächlich unterschiedlich – in ihrer Häufigkeit, im Verlauf und in den Ursachen. Frauen sind insgesamt häufiger betroffen, was unter anderem an hormonellen Schwankungen, einer anderen Beckenstatik und Belastung während Schwangerschaft und Geburt liegt. Auch das Schmerzempfinden selbst ist hormonell mitgesteuert – dadurch können Schmerzen intensiver wahrgenommen und langsamer verarbeitet werden.
In der Praxis sehen wir zudem, dass bei Frauen häufig gynäkologische Ursachen übersehen werden. Erkrankungen wie Endometriose, Myome oder Zysten können Rückenschmerzen verursachen oder verstärken, ohne dass der Rücken selbst das eigentliche Problem ist. Manchmal kommen Patientinnen mit Rückenschmerzen zu uns, die in Wahrheit aus dem Becken oder den inneren Organen stammen – oder sie gehen zuerst zum Gynäkologen, obwohl die Ursache orthopädisch ist.
Das zeigt, wie eng alles miteinander verbunden ist. Rückenschmerz ist kein rein orthopädisches Thema, sondern oft interdisziplinär.
Wer die Zusammenhänge zwischen Muskeln, Organen, Hormonen und Nerven versteht, kann gezielter behandeln – und viele unnötige Therapien vermeiden. Denn gerade bei Frauen gilt: Nicht jeder Rückenschmerz kommt vom Rücken.
Was läuft häufig falsch beim ersten Arztbesuch?
Beim ersten Arztbesuch läuft oft schon Entscheidendes schief – nicht, weil jemand etwas „falsch“ macht, sondern weil das System genau so funktioniert, wie es heute organisiert ist. Durch starke Budgetierung und enormen Zeitdruck bleibt in vielen Praxen kaum Raum für eine wirklich individuelle Diagnostik. Stattdessen wird häufig nach festen Schemata behandelt – und genau das ist bei Rückenschmerzen besonders problematisch.
Viele Patienten vereinbaren einfach beim erstbesten Orthopäden einen Termin, ohne zu wissen, dass es innerhalb der Orthopädie zahlreiche Spezialisierungen gibt. Der eine konzentriert sich auf Schulter und Knie, der andere auf Füße – Rückenschmerzen gehören oft gar nicht zu seinem eigentlichen Schwerpunkt. Dadurch werden Patienten zwar „orthopädisch versorgt“, aber nicht wirklich verstanden.
Hinzu kommt, dass gründliche körperliche Untersuchungen immer seltener stattfinden. Ich sehe regelmäßig Patienten mit Rückenschmerzen, die bereits ein MRT der Lendenwirbelsäule mitbringen – obwohl die Ursache in Wahrheit aus der Hüfte oder dem Becken kommt. Das zeigt, wie schnell Fehldiagnosen entstehen, wenn man sich zu sehr auf Bilder verlässt, anstatt mit den Händen zu untersuchen.
Ein weiteres Problem ist die juristische Absicherung: Wer auf dem MRT einen Bandscheibenvorfall entdeckt, überweist häufig vorsorglich zum Operateur – nicht unbedingt, weil eine Operation nötig ist, sondern um rechtlich „auf der sicheren Seite“ zu sein. Dabei könnten viele dieser Fälle konservativ erfolgreich behandelt werden.
Ohne gegenseitiges Vertrauen funktioniert jedoch keine Therapie. Wenn der Patient die Behandlung vorgibt und der Arzt nur noch Rezepte ausstellen soll, ist das Vertrauensverhältnis gestört. In solchen Fällen ist es besser, die Behandlung zu beenden, damit der Patient einen Arzt findet, dem er wirklich vertraut.
Zudem beobachten wir eine wachsende Ungeduld auf beiden Seiten: Wenn Schmerzen nach wenigen Wochen nicht verschwinden, wird der Patient unruhig – und der Arzt gerät unter Druck, schnell eine Lösung zu präsentieren. So entsteht eine Spirale aus Überdiagnostik und Übertherapie.
Dabei brauchen wir genau das Gegenteil: mehr Zeit, mehr Aufmerksamkeit und den Mut, den Schmerz wirklich verstehen zu wollen – statt ihn einfach nur zum Schweigen zu bringen. Denn jede wirksame Therapie beginnt mit einer präzisen Diagnose, und die erfordert vor allem eines: Zeit und Zuhören.
Was ist das Besondere an der Sechs-Quadranten-Methode?
Das größte Problem in der modernen Medizin ist, dass Patienten heute kaum noch eine schnelle, aber gleichzeitig präzise Diagnostik erwarten können. Viele werden von einem Spezialisten zum nächsten geschickt, bekommen Bilder, Spritzen oder Medikamente – aber selten eine klare Antwort auf die wichtigste Frage: Woher kommt mein Schmerz wirklich?
Genau hier setzt meine Sechs-Quadranten-Methode an. Der Grundgedanke ist einfach: Man muss unterscheiden, ob der Schmerz radikulär oder pseudoradikulär ist.
Radikuläre Schmerzen entstehen an der Nervenwurzel – sie lassen sich durch Druck am Rücken nicht provozieren, weil die Ursache tief im Nerv liegt. Pseudoradikuläre Schmerzen hingegen kommen aus Muskeln, Sehnen oder Faszien und sind durch gezielten Druck reproduzierbar.
Die Methode teilt den Rücken und das Becken in sechs funktionelle Bereiche. So kann ich innerhalb von 30 Sekunden erkennen, ob ein Nerv betroffen ist oder ob die Ursache muskulär oder faszial liegt – und gleichzeitig sehen, welche Muskelgruppe überlastet oder gereizt ist. Auf dieser Grundlage kann ich sofort die richtige Behandlung oder Übung auswählen.
Ich arbeite nun seit über zehn Jahren mit dieser Methode – und die Ergebnisse sind bemerkenswert reproduzierbar. Natürlich gibt es auch komplexe Fälle: Patienten, die sowohl radikuläre als auch pseudoradikuläre Symptome zeigen. In solchen Situationen bessert sich der Schmerz durch die Behandlung der Muskeln und Sehnen meist deutlich, verschwindet aber nicht ganz – dann ist ein MRT sinnvoll, um den Nerv genauer zu beurteilen.
Die Sechs-Quadranten-Methode ersetzt keine High-Tech-Diagnostik, aber sie schließt eine entscheidende Lücke: Sie bringt den Arzt wieder in direkten Kontakt mit dem Patienten – mit seinen Händen, seinem Gefühl und seiner Erfahrung. Und genau da beginnt die echte Medizin.
Wie haben Sie die Sechs-Quadranten-Methode entwickelt?
Sie ist aus meiner eigenen Erfahrung heraus entstanden – genauer gesagt aus der Suche nach der Ursache meiner eigenen Schmerzen. Ich habe damals bemerkt, dass es bei vielen Patienten einen ganz bestimmten Punkt gibt, der immer wieder auffällig schmerzhaft ist. Das machte mich neugierig.
Nach intensiver Recherche stieß ich auf die Arbeiten des deutschen Neurologen Dr. Knappe, der genau diesen Punkt bereits beschrieben hatte. Er vermutete, dass dort eine Faszienlücke besteht, durch die ein Nerv hindurchtritt – und dass dieser Nerv die Schmerzen verursacht. Diese Theorie war spannend, erklärte aber nicht, was ich in der täglichen Praxis beobachtete.
Ich begann, diesen Punkt systematisch zu untersuchen – zunächst manuell, später auch mit hochauflösendem Ultraschall. Dabei stellte ich fest, dass der Schmerz nicht vom Nerv, sondern von der Sehne ausgeht. Das war ein entscheidender Moment. Denn das Schmerzverhalten war identisch mit dem, was wir von chronischen Sehnenentzündungen kennen – wie an der Achillessehne oder beim Tennisellenbogen: Der Schmerz flammt bei Belastung auf, lässt in Ruhe nach und kehrt bei erneuter Belastung wieder.
Diese Erkenntnis veränderte mein Verständnis von Rückenschmerzen grundlegend. Ich erkannte, dass viele der sogenannten „nervalen“ Rückenschmerzen in Wahrheit myofasziotendinöser Natur sind – also aus dem Übergangsbereich zwischen Muskel, Faszie und Sehne stammen.
Das erklärte auch, warum Therapien, die Muskeln oder Faszien beeinflussen, wie Osteopathie, Faszientherapie oder Dehnungsübungen, häufig eine kurzfristige Linderung, aber keine dauerhafte Heilung bewirken. Ebenso zeigte sich, warum Muskeltraining oder Kraftaufbau zwar die Stabilität verbessert, aber den eigentlichen Schmerz nicht lösen: Die gereizte Sehne bleibt die Schwachstelle.
Mit der Zeit fand ich mehrere dieser Punkte im Bereich von Rücken und Becken, die sich bei fast allen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen reproduzieren ließen. Diese Punkte bilden heute die Grundlage der Sechs-Quadranten-Methode.
Von all den Patienten, die ich über die Jahre gesehen habe, konnte ich nur einen einzigen echten Nervenschmerz identifizieren – genau den, den Dr. Knappe beschrieben hatte. Das hat mir gezeigt, dass er den richtigen Punkt erkannt hatte, ihn als Neurologe aber dem Nerv zugeordnet hat. In Wirklichkeit entsteht der Schmerz dort in den allermeisten Fällen durch die Sehne selbst.
Mit moderner Ultraschalltechnologie konnten wir diese Beobachtungen später auch objektiv bestätigen: Man erkennt dort kleinste Veränderungen, Mikrokalk oder lokale Entzündungsreaktionen – ähnlich wie bei einer Tendinosis calcarea an der Schulter. Damit ließ sich erstmals nachvollziehbar belegen, dass viele chronische Rückenschmerzen in Wahrheit Sehnenschmerzen sind.
Nachdem ich diesen Punkt eindeutig identifizieren konnte, habe ich daraufhin eine integrative Therapie entwickelt, die genau hier ansetzt: Sie behandelt gezielt die betroffene Sehne, reduziert die chronische Reizung und verbessert die Schmerzen nachhaltig.
Momentan haben wir im neuen Buch zunächst nur die Untersuchungsmethode veröffentlicht – das Therapieregime bleibt vorerst unser Geheimnis.
Diese Erkenntnisse waren der Ausgangspunkt meiner Sechs-Quadranten-Methode – einer Methode, die hilft, Schmerzen klar zu differenzieren, gezielt zu behandeln und endlich Ursachen statt Symptome zu therapieren.
Was kann ich selbst gegen Rückenschmerzen tun?
Wenn jemand Rückenschmerzen hat, ist das in der Regel kein Zufall. Der Schmerz ist das Endergebnis eines längeren Prozesses, bei dem vorher schon etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist – sei es durch Fehlhaltungen, mangelnde Bewegung oder muskuläre Dysbalancen. Deshalb ist der wichtigste Schritt: verstehen, woher der Schmerz kommt. Nur wer die Ursache kennt, kann die richtige Therapie oder Übung auswählen.
Oft kündigen sich Rückenschmerzen schon früh an – durch ein Spannungsgefühl, ein Ziehen oder eine eingeschränkte Beweglichkeit. Das sind die Momente, in denen man aktiv werden sollte, bevor der Schmerz chronisch wird. Entscheidend ist, die richtige Muskelgruppe zu identifizieren und gezielt zu dehnen oder zu aktivieren. Hier können Faszienrollen oder sanfte Dehnübungen eine gute erste Hilfe sein, um verspannte Strukturen zu lösen.
Beim Muskeltraining gilt: Der Rücken funktioniert nur im Team. Eine stabile Wirbelsäule entsteht nicht durch den Rückenstrecker allein, sondern durch das Zusammenspiel von Rücken-, Gesäß-, ischiocruraler und Bauchmuskulatur sowie den Adduktoren. Nur wenn alle Muskelgruppen harmonisch miteinander arbeiten, kann das Becken stabil bleiben. Trainiert man nur einzelne Bereiche, entsteht schnell eine Disbalance, die wiederum Schmerzen auslöst.
Ebenso wichtig ist die Statik des Körpers. Viele Menschen wissen gar nicht, dass ein leichtes Beinlängenunterschied oder ein Beckenschiefstand langfristig Rückenschmerzen verursachen kann. Dabei ist entscheidend zu erkennen, warum die Statik verändert ist:
Steht eine Seite zu hoch, weil die Muskulatur zu viel Spannung hat – oder zu tief, weil das Bein tatsächlich kürzer ist? Diese Unterscheidung ist entscheidend, um die richtige Korrektur und Prävention einzuleiten.
Rückenschmerzprävention bedeutet also nicht, einfach nur Sport zu treiben. Es geht darum, seinen Körper zu verstehen, auf Signale zu hören und die Muskulatur intelligent zu trainieren – ausgleichend, achtsam und ursachenorientiert.
Kann Ernährung bei Rückenschmerzen helfen – und wenn ja, welche?
Ernährung spielt bei Rückenschmerzen tatsächlich eine wichtigere Rolle, als viele denken. Natürlich kann man chronische Rückenschmerzen nicht allein durch Ernährung heilen, aber sie kann entscheidend dazu beitragen, Entzündungsprozesse zu bremsen und Schmerzphasen abzumildern.
Im Grunde genommen sind viele chronische Schmerzen das Ergebnis einer Übersäuerung im Gewebe, insbesondere im Bereich der Sehnen und Faszien. Wenn das Milieu im Körper zu sauer ist, werden Heilungsprozesse verlangsamt, Entzündungen begünstigt und Schmerzen verstärkt. Deshalb empfehlen wir eine antientzündliche, antioxidative Ernährung, die das Gewebe entlastet und die Regeneration unterstützt.
Dazu gehören vor allem:
• viel frisches Gemüse und Obst, insbesondere grüne Blattgemüse, Beeren, Avocado, Zitrusfrüchte,
• Omega-3-Fettsäuren aus Fisch, Leinöl oder Walnüssen,
• Gewürze mit entzündungshemmender Wirkung wie Kurkuma, Ingwer, Knoblauch oder Zimt,
• ausreichend Wasser und Kräutertee, um Stoffwechselprodukte auszuleiten.
Vermeiden sollte man dagegen alles, was die Entzündungsneigung fördert – also Zucker, Weißmehl, Alkohol, Nikotin und stark verarbeitete Lebensmittel. Auch übermäßiger Fleisch- und Milchkonsum kann durch die entstehenden Säuren und Stoffwechselprodukte die Gewebeverhältnisse verschlechtern.
Eine solche Ernährung wirkt sich nicht nur positiv auf den Rücken aus, sondern auch auf Arthrose, Muskelschmerzen und das allgemeine Wohlbefinden. Viele Patienten berichten, dass ihre Schmerzschübe seltener und milder werden, wenn sie ihre Ernährung konsequent umstellen.
Man kann also sagen: Ernährung ersetzt keine Therapie, aber sie ist ein entscheidender Verstärker für Heilung und Regeneration – und sie ist eine der einfachsten Möglichkeiten, selbst aktiv etwas für den eigenen Körper zu tun.

Rückenschmerzen adé! Ein innovativer Ansatz gegen chronische Schmerzen. Das Buch "Rückenrevolution" von Prof. Dr. Musa Citak ist im ZS Verlag erschienen

© Jan Russok
Prof. Dr. Musa Citak ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Mit seinem Gesundheitszentrum in Hamburg hat er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, in der Schmerztherapie neue Standards zu setzen