Nils Behrens: Veräppelt uns die Apple Watch beim Kalorienzählen?

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17. September 2025

Nils Behrens

  • Health

Nils Behrens: Veräppelt uns die Apple Watch beim Kalorienzählen?

Viele vertrauen der Apple Watch beim Kalorienverbrauch. Doch die Werte können bis zu 90 % danebenliegen – und damit frustrierend statt förderlich sein. Top-Gesundheitsexperte Nils Behrens erklärt in seiner aktuellen Kolumne, was das für Gesundheit und Longevity bedeutet

Der Selbstversuch mit der Uhr am Handgelenk

Die Faszination war groß: Endlich eine Uhr, die scheinbar genau anzeigt, wie viele Kalorien täglich verbraucht werden. 3.200 kcal hier, 3.600 kcal dort – Zahlen, die suggerieren, alles sei im grünen Bereich. Wer sich darauf verlässt und genauso viel isst, erlebt jedoch oft eine Überraschung. Statt definierter Figur folgt nicht selten ein Zuwachs am Bauch.

Dieses Paradox zeigt: Smartwatches wie die Apple Watch motivieren, doch sie kalkulieren nicht wie eine Ernährungswissenschaftlerin oder ein Sportmediziner.

Was die Wissenschaft zu Fitness-Trackern sagt

Die Begeisterung für Wearables hat in den letzten Jahren einen enormen Schub erhalten. Millionen Menschen verlassen sich weltweit auf die Zahlen, die ihr Handgelenk täglich ausspuckt. Doch zahlreiche Studien belegen: Die Kalorienangaben sind mit Vorsicht zu genießen.

  • Eine Übersichtsarbeit im British Journal of Sports Medicine (Fuller et al., 2020) zeigt, dass Fitness-Tracker den Energieverbrauch um 20 bis 90 % überschätzen können.
  • Selbst die Apple Watch, die in Tests vergleichsweise gut abschneidet, liegt laut einer Studie der Stanford University im Schnitt 27 % über dem realen Verbrauch (Shcherbina et al., Journal of Personalized Medicine, 2017).
  • Besonders unzuverlässig sind die Daten bei Krafttraining und Alltagsbewegungen, wo die Algorithmen den tatsächlichen Stoffwechsel nur ungenau abbilden.

Die Folge: Wer die angezeigten Werte eins zu eins in seine Ernährung überträgt, isst regelmäßig mehr, als er tatsächlich verbrennt.

Nils Behrens

Nils Behrens, Chief Brand Officer von Sunday Natural und Host des Podcasts HEALTHWISE


Warum die Apple Watch trotzdem wertvoll ist

Trotz aller Limitierungen sollten Sie die Apple Watch nicht unterschätzen. Ihr Potenzial liegt weniger in exakten Kalorienangaben, sondern in Motivation und Transparenz.

  1. Motivation und Routine: Das tägliche „Schließen der Ringe“ motiviert, konsequent in Bewegung zu bleiben. Kontinuität ist ein entscheidender Faktor für gesunde Langlebigkeit.
  2. Trends statt Einzelwerte: Selbst wenn die absolute Zahl nicht stimmt, sind Trends zuverlässig. Wer sieht, dass die eigene Aktivität über Wochen steigt, entwickelt ein besseres Gefühl für Fortschritt.
  3. Herzfrequenz-Tracking: Hier sind Smartwatches sehr präzise. Herzfrequenzvariabilität (HRV), Ruhepuls und Trainingsintensität lassen sich gut ablesen – allesamt wichtige Marker für Resilienz, Regeneration und Longevity.

Longevity beginnt nicht bei der Uhr, sondern bei den Gewohnheiten

Für gesunde Langlebigkeit ist es nicht entscheidend, ob eine Uhr 2.800 oder 3.500 Kalorien ausweist. Entscheidend ist die langfristige Balance aus Bewegung, Ernährung, Regeneration und mentaler Stabilität.

  1. Bewegung: Mehr tägliche Schritte, gezieltes Krafttraining und moderates Ausdauertraining sind nachweislich die effektivsten Mittel gegen altersbedingten Muskelabbau und Stoffwechselverlangsamung.
  2. Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit Proteinen, Ballaststoffen, Omega-3-Fettsäuren und Mikronährstoffen wirkt nachhaltiger als das Vertrauen in Zahlen, die vom Handgelenk kommen.
  3. Regeneration: Schlafqualität und Stressreduktion beeinflussen die Lebensspanne mindestens ebenso stark wie Kalorienverbrauch. Smartwatches helfen, Muster sichtbar zu machen, aber sie ersetzen keine gesunde Routine.

Fazit: Ihr Weg zur smarten Longevity

Die Apple Watch ist ein hervorragendes Tool, wenn Sie sie richtig einordnen. Sie liefert Impulse, macht Fortschritte sichtbar und unterstützt die Selbstreflexion. Wer jedoch glaubt, dass die Kalorienanzeige eine präzise Berechnungsgrundlage für Ernährung ist, irrt.

Nutzen Sie die Uhr als Motivator, nicht als Ernährungsberater. Für Ihre Longevity bedeutet das: Bauen Sie auf bewährte Prinzipien – Bewegung, ausgewogene Ernährung, Regeneration und Sinnhaftigkeit – und sehen Sie die Uhr als wertvollen Begleiter, nicht als alleinige Autorität.



Nils Behrens ist der Chief Brand Officer von Sunday Natural und Host des Podcasts HEALTHWISE. Außerdem unterrichtet der gefragte Health-Experte als Dozent an der Hochschule Fresenius. Vorher arbeitete Behrens über 12 Jahre als Chief Marketing Officer der Lanserhof Gruppe und Gastgeber des erfolgreichen „Forever Young“-Podcasts.

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