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17. Oktober 2025
Marianne Waldenfels
Gynäkologin und Hormon-Expertin Judith Bildau erklärt im Interview, wie man entspannter und gesünder durch die Wechseljahre kommt, wie Beschwerden gelindert werden können und wann eine Hormonersatztherapie das Krebsrisiko senkt
Etwa neun Millionen Frauen in Deutschland befinden sich gerade in den Wechseljahren. Sie leiden an den unterschiedlichsten Symptomen, von Haarausfall bis Herzstolpern. Dr. Judith Bildau ist Gynäkologin, Expertin für Frauengesundheit und Gendermedizin, Longevity und Hormonberatung. Gerade ist ihr neues Buch "Body in Balance" (Knaur) auf den Markt gekommen, in dem die Ärztin Frauen jeden Alters auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse über die hormonellen Vorgänge in ihrem Körper aufklärt.
Wie kann man sich auf die Wechseljahre optimal vorbereiten?
Die optimale Vorbereitung auf die Perimenopause, also die Wechseljahre, ist Wissen! Wenn Frauen verstehen, was während dieser Phase mit ihnen passiert und sich nicht damit zufriedengeben, immer gesagt zu bekommen, dass sie sich ihre Symptome nur einbilden, dann ist schon einmal ganz viel gewonnen. Wissen gibt Frauen wieder die Zügel in die Hand. Aufgeklärte Frauen wissen, wie wichtig jetzt die Prävention wird und welche Therapiemöglichkeiten es bei Beschwerden gibt.
Welche Mikronährstoffe sollte man in der Perimenopause unterstützend einnehmen?
Das ist individuell sehr unterschiedlich. Jede Frau hat einen ganz eigenen Bedarf- je nach Lebens- und Ernährungsgewohnheiten. Eine gute Grundlage bilden aber schon einmal Vitamin D und Calcium, Magnesium, Omega-3-Fettsäuren und ein Vitamin B-Komplex.
Wie verändern sich die „Hormonschwestern“ Östrogen und Progesteron in der Perimenopause und in der Postenopause?
In der Perimenopause spielen die weiblichen Sexualhormone im wahrsten Sinne des Wortes total verrückt. Vor allem das Östrogen schwankt jetzt stark, was massive Beschwerden verursachen kann. Gerade dieser ständige Wechsel zwischen Östrogendominanz und -mangel empfinden viele Frauen als besonders anstrengend.
Auch der Progesteronspiegel unterliegt Schwankungen, allerdings nicht so ausgeprägt. Ein Jahr nach der letzten Menstruation, auch Menopause genannt, tritt die Postmenopause ein. Nun haben die Eierstöcke ihre Funktion eingestellt und die Östrogen- und Progesteronspiegel bleiben beständig niedrig. Viele Frauen leiden jetzt allerdings unter Hormonmangelbeschwerden.
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Renommierte Hormon-Expertin: Dr. Judith Bildau
Einige Frauen berichten, dass sie mit Beginn der Perimenopause unter Herzstolpern leiden. Was ist die Ursache dafür und was kann man dagegen tun?
Auch hier liegt die Ursache vor allem in den Schwankungen des Östrogenspiegels. Östrogen ist dafür verantwortlich, dass die Gefäße entspannt sind. Fällt der Spiegel ab, ziehen sich die Gefäße mitunter ruckartig zusammen und viele Frauen bemerken das in Form von Kreislaufschwankungen und Veränderungen des Herzrhythmus. Außerdem spielt Östrogen eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von Signalen innerhalb des Herzens. Ein schwankender Spiegel kann das kardiale Reizleitungssystem aus dem Takt bringen.
Bei der Einnahme von Hormonen hat man oft Vorbehalte. Zu Recht? Es hieß ja eine zeitlang, dass eine Hormonersatztherapie Krebs fördern könnte…
Ja, diese undifferenzierten Aussagen bekommen Frauen auch heute noch ganz oft zu hören. Diese Risikoerhöhung soll ja vor allem für den Brustkrebs gelten. Kurz zusammengefasst: Ganz so einfach ist es nicht! Eine alleinige Östrogentherapie, die bei Frauen ohne Gebärmutter möglich ist, sinkt sogar das Brustkrebsrisiko. Das Risiko für eine bösartige Erkrankung in diesem Bereich wird vor allem durch das Gestagen verursacht.
Wir wissen mittlerweile das die Kombination von Östrogen und einem synthetischen Gestagen tatsächlich das Brustkrebsrisiko leicht steigen lässt, allerdings weniger als 2 Gläser Wein pro Tag, Übergewicht und wenige körperliche Bewegung. Mittlerweile wird, gerade in der Postmenopause, statt mit einem synthetischen Gestagen, mit einem bioidentischen, genauer gesagt: mit Progesteron, gearbeitet.
Die Kombination Östrogen plus Progesteron erhöht das Risiko für Brustkrebs in den ersten 5 Jahren nicht und danach nur ganz leicht - weniger stark als 1 Glas Wein pro Tag. Und auch dieser Aspekt ist nicht zu vernachlässigen: Bestimmte Formen der HRT senken sowohl das Darmkrebs-, als auch das Gebärmutterschleimhautkrebsrisiko. Und eine HRT wirkt präventiv vor Alterserkrankungen, wie Osteoporose & Co.
Wie funktioniert eine HRT?
Jede Frau benötigt eine individuelle, persönlich passende HRT. Frauen, deren Gebärmutter bereits entfernt wurde, können (müssen aber nicht) auf eine Gestagen- bzw. Progesterongabe verzichten. Alle anderen Frauen erhalten eine Kombinationstherapie. Mittlerweile wird das Östrogen meist als Gel, also transdermal, substituiert.
Das hat verschiedene Vorteile, u.a. dass das Risiko für Thrombosen nicht gesteigert wird. In meinem neuen Buch zeige ich alle denkbaren Therapieschemata auf, damit jede Frau erfahren kann, welche Therapiestrategie die richtige für sie ist. Wichtig ist, dass sich die Frauen wohl fühlen, keine Beschwerden haben und diese aufregende Zeit genießen können!
Body in Balance von Dr. Judith Bildau ist im Knaur Verlag erschienen
Was sind bioidentische Hormone?
Bioidentische Hormone gleichen unseren menschlichen Hormonen. Oft werden sie deshalb auch als „körperidentisch“ oder „naturidentisch“ bezeichnet. Der Grundbaustein, der dann im Labor weiter zu den für die Frauen verfügbaren Medikamenten verarbeitet wird, wird hauptsächlich aus der Yamswurzel gewonnen. Bioidentische Hormone haben einige Vorteile, z.B. was das Brustkrebsrisiko betrifft.
Was können Patientinnen einnehmen, die keine HRT durchführen dürfen? Wie kann ihnen während der Wechseljahre geholfen werden?
Es gibt viele, wissenschaftlich geprüfte Phytopharmaka, die nachweislich helfen. Eine sehr gut untersuchte Pflanze ist z.B. die Traubensilberkerze, cimifuga razemosa. Sie wirkt gegen Hitzewallungen, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen. In meinem Buch zeige ich noch viele weitere pflanzliche Ansätze auf, die Frauen durch die Wechseljahre helfen können.
Sie sprechen auch von „In-Betweeners“ – Welche Altersgruppe betrifft das und was sind die Herausforderungen?
„In between“ beschreibt die Lebensphase zwischen 35 und 45 Jahren. Hier finden bereits die ersten hormonellen Veränderungen an. Dadurch, dass sich die Eizellreserven ganz langsam dem Ende zuneigen, kommt es immer wieder zu Zyklen, in denen kein Eisprung stattfindet.
Ohne Ovulation wird kein Progesteron gebildet, weswegen viele Frauen in der 2.Zyklushälfte massive Beschwerden haben. Schlafstörungen, Wassereinlagerungen, Brustspannen, das Auftreten oder die Verstärkung eines PMS bzw. PMDS sind nur einige Symptome. Auch der Zyklus kann sich verändern: Er kann deutlich kürzer werden, Schmierblutungen können auftreten und die Menstruation kann stärker und auch schmerzhafter werden.
Kann Hormonmangel eigentlich zu Krankheiten führen?
Die weiblichen Sexualhormone haben einen stark schützenden Effekt auf unseren Körper. Sie schützen u.a. die Knochen, das Herzkreislaufsystem und das Gehirn. Fällt dieser präventive Effekt weg, steigt das Risiko für Osteoporose, Herzkreislauferkrankungen und Demenz. Aber: Es gibt viele Möglichkeiten, diesen weggefallenen Schutz auszugleichen!