Wann fühlen wir uns zuhause wohl?

© Pietro Savorelli

20. Juni 2025

Christine Bürg

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Wann fühlen wir uns zuhause wohl?

Wovon hängt es ab, ob wir uns in unserem Zuhause wohlfühlen. Interior-Designer Philipp Hoflehner, Creative Director und Geschäftsführer von „Bernd Gruber Kitzbühel“, hat Antworten

Welche Faktoren sind ausschlaggebend dafür, ob ich mich in einem Interieur bzw. mit Interior Design wohlfühle?

Das Interieur muss vor allem der eigenen Persönlichkeit entsprechen und zur momentanen Lebensphase passen – und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Jeder Mensch entwickelt sich weiter, der persönliche Geschmack ebenso wie der eigene Anspruch. Wir erleben das oft, wenn wir für Kunden ein neues Haus einrichten und im Zuge an ihrem bisherigen Wohnort besuchen.

Und wie finden Sie heraus, worin sich Ihre Kunden gerade wohlfühlten?

Indem wir uns zum einen anschauen, wie sie momentan leben und wie ihr Umfeld aussieht. Zum anderen nehmen wir uns am Anfang eines Projekts in unserem „Empathie Workshop“ einen Tag lang Zeit für sie, um in der Tiefe zu verstehen, wie sie ticken und was ihnen wichtig ist. Wir arbeiten mit Bildwelten und Moodboards, auf denen unterschiedliche Stilwelten zu sehen sind, und können anhand der Resonanz einschätzen, was ihnen gefällt.

Wir sprechen über das, was sie sehen, wir hören zu, welche Wörter sie verwenden. Modern beispielsweise ist für jeden Menschen etwas anderes. Der eine verbindet damit ein minimalistisches 60er-Jahre-Ambiente, für den nächsten bedeutet es Sichtbeton und Glas. Am Ende so eines Workshops haben wir ein sehr gutes Bild davon, was ihnen wichtig ist, wo ihr Anspruch liegt, was für sie eine gewisse Atmosphäre bedeutet und wodurch sie sich wohlfühlen. Und wenn wir dann ein Haus gestalten, das dem aktuellen Leben und den aktuellen Umständen entspricht, dann ist das meistens mit großem Glück verbunden.

Gibt es denn so etwas wie eine Wohlfühl-Wunderwaffe?

Ja, Licht ist entscheidend wichtig. Deshalb geben wir die Lichtplanung nicht aus der Hand. Man kann nicht auf eine Atmosphäre abzielen und das Licht nicht mitdenken. Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Einmal die Wärme, die Lichtfarbe und somit die Kelvinzahl. 2800 bis 3000 Kelvin ist gut – alles darüber wirkt kühl und somit ungemütlich Es geht aber um viel mehr als die Lichtwärme. Licht braucht Schatten, es braucht eine gewisse Wechselwirkung zwischen hellen und dunklen Bereichen. Nur so erzeugt man Atmosphäre. Außerdem muss man den Lichthorizont beachten, oft holen wir ihn herunter. Nur eine einzige Deckenleuchte ist genauso ungemütlich wie gar kein oder zu wenig Licht im Raum. Unser Zugang zu Licht ist sehr japanisch. Sprich, das schönste und weichste Licht ist jenes, das durch einen halbtransparenten Stoff oder ein Papier scheint.

Sie haben eben das Deckenlicht angesprochen – etwas typisch Deutsches.

Wir unterscheiden zwischen technischem und wohnlichem Licht. Zum Putzen brauche ich es hell. Dieses technische Licht sorgt für die Grundausleuchtung, die wir dann durch Dimmen bei maximal 60 Prozent einstellen und nur höher drehen sollten, wenn es wirklich nötig ist. Den Rest erzeugen wir mit loser Beleuchtung und mehreren Lichtquellen – maximal zwei bis drei unterschiedlichen, damit es nicht wie in einem Lampenstudio aussieht.

Wie sieht es mit der Raumgröße aus?

Große Räume sind großartig, aber man muss sie bis zum Schluss fertig denken. Ein großer Raum, der nicht wie ein großer Raum möbliert ist, ist nicht gemütlich.

Interiordesigner Philipp Hoflehner

© Alexander van Berge

Interiordesigner Philipp Hoflehner

Wenn man an ein sehr minimalistisches Interior denkt – Sichtbeton, weiße Wände, geradliniges Design, vielleicht auch Marmor –, wie schaffe ich es da, ein Wohlfühlambiente herzustellen? Das klingt ja sehr kalt ...

Stimmt, das strahlt eine gewisse Kälte aus. Aber die Frage, die hier entscheidend ist: An welchem Ort befindet sich dieser Raum? Wenn dieser von Ihnen beschriebene kühle, nüchterne Raum auf Ibiza liegt, kann er absolute Wohlfühlatmosphäre bieten, weil es draußen heiß ist und ich mich über einen – auch optisch – kühlen Raum freue. Wenn ich bei uns in Kitzbühel im Winter so einen Raum betrete, wird mir kalt werden. Da kriege ich mit einer Holzwand oder einem knisternden Kaminfeuer eine ganz andere Atmosphäre rein.

Stichwort Farben. Spielen Sie damit? Und gibt es hier bestimmte Richtlinien?

Es ist schade, dass man nach wie vor so viele weiße Wände sieht. Wir lieben es, mit oder Tapeten zu arbeiten. Kunst auf einer Holzwand ist wunderschön oder auch Kunst auf einer grauen Wand. Wir haben selten einfach nur eine rein weiße Wand. Mit Farben kann man sehr schön gestalten. Dabei denken wir im Raum, nicht in einzelnen Wänden. Wir streichen nicht eine Wand grün oder blau oder grau, sondern wir versuchen, mit dieser Farbe raumbildend zu arbeiten. Dunkle Farben nehmen sich ja oft zurück. Da kann es durchaus Sinn machen, die Decke ein bisschen dunkler zu streichen, weil sie dann nicht so ins Auge springt.

Sie sind also ein Fan von Wandfarbe?

Ja, bitte keine Angst vor Farben! Man sollte allerdings eine wählen, mit der man sich wohlfühlt, und diese dann durchziehen. Es muss ja kein Blau oder Grün sein, man kann einen Grauton nehmen. Oder eine von den sicherlich 20 existierenden Weißschattierungen, die sich vielleicht viel harmonischer integrieren und weniger Kontrast zum Holz, dem Holzboden oder zu den Fenstern bilden als ein Reinweiß. Kontrastärmer zu arbeiten, hat sehr viel mit Wohlfühlatmosphäre zu tun.

Und welche Rolle spielt der Boden? Er ist für einen Raum ja sehr bestimmend.

Es ist schön, ein Material durchzuziehen, also auch hier kontrastarm zu arbeiten oder eine gewisse Materialbalance herzustellen. Nur Holz oder nur kühle Materialien oder nur Stein kann auch langweilig werden. Das Schöne ist, wenn man farblich aufeinander abgestimmt eine Balance der Materialien im Raum schafft. Man kann auch mit der Oberfläche spielen, dem Wechsel zwischen glatt und rau.

Es gibt ja noch ganz andere Kriterien. Der Klang beispielsweise.

Akustik ist ein Riesenthema. Weniger bei uns hier in Tirol, weil wir von aus viel mit Holz, Teppich und Textilien arbeiten, die den Schall schlucken. Das ist eher das Problem bei Neubauten. Denn wenn die Akustik nicht stimmt, löst das ein starkes Unbehagen aus. Zum Glück hat sich da viel getan. Notfalls kann man mit Akustikputz gegensteuern und natürlich mit Textilien.

„Es gibt wenig, was einem Raum so viel Atmosphäreschenkt wie gute Kunst“

Wie wichtig sind Accessoires und Kunst?

Hier schließt sich der Kreis. Ich glaube nicht, dass man sich wohlfühlt, wenn der Innenarchitekt Bilder an die Wand hängt, mit denen man wenig am Hut hat. Man muss sich damit identifizieren können. Es gibt doch nichts Schöneres, als sich mit Dingen zu umgeben, die sich im Leben angesammelt haben und eine Geschichte in sich tragen. Dann ist das ein Gefühl von Ankommen und ein Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Es gibt wenig, was einem Raum so viel Atmosphäre schenkt wie gute .

Wie sieht es mit Trends aus? Davon kann man sich ja nicht ganz frei machen.

Es gibt immer wieder Objekte, die auf Instagram und in den Medien gehypt werden und plötzlich total angesagt sind – der Ultrafragola-Spiegel von Ettore Sottsass (siehe Bild oben) ist so ein Beispiel, das Togo von Ligne Roset oder das Camaleonda von B&B Italia waren eine Zeit lang überall. Auch unsere Bauherren fragen dann, ob man das einplanen kann. So ein Projekt dauert im Schnitt zwei, drei Jahre, und bei aller Berücksichtigung der Kultur des Bauherrn, wollen wir ihm schon mehr bieten, und das bedeutet in dem Fall ein zeitloses Zuhause. Wenn man sich wie wir den ganzen Tag mit Gestaltung beschäftigt, weiß man sehr schnell, was die Zeit überdauert und was nur für ein paar Monate oder Jahre im ist, dann aber ebenso schnell wieder verschwindet und an dem man sich sattsieht.

Togo-Sofa-Ligne-Roset

© PR

Das Togo-Sofa von Ligne Roset


Camaleonda Sofa

© PR

Camaleonda-Sofa von B&B Italia

Gibt es denn Möbelstücke, bei denen das Sattsehen seltener vorkommt?

Wenn man auf Nummer sicher gehen will, bleibt man bei den Klassikern. Das ist aber irgendwie auch langweilig. Ich finde es schön, wenn man einen zeitgemäßen Stil findet, der trotzdem zeitlos ist. Für mich ist das kein Widerspruch. Zeitloses Design war zum Entstehungszeitpunkt ja auch modern. Doch es war so gut, dass es überdauert hat und zeitlos wurde. Da gibt es immer wieder neue Dinge, die diesem Anspruch gerecht werden. Aktuell ist das für uns die Kollektion des französischen Designers Christophe Delcourt, der Rundungen schlicht und zeitlos gestaltet, ohne dass es zu viel ist. Das ist nicht ein schneller, vorübergehender Hype, sondern etwas, wonach man sich sehnt: subtile weiche Formen, die gemütlich sind, aber auch einen hohen Design-Anspruch erfüllen.

Philipp Hoflehner ist Creative Director und Geschäftsführer von „Bernd Gruber Kitzbühel


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