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26. September 2025
Stephanie Pieper
Mit gerade einmal 28 Jahren hat Valentina Busik bereits mehrere Karrieren. Und es ist erst der Anfang: Die Ärztin und Miss-Germany-Gewinnerin will mit einer KI die Medizin-Welt verbessern
Es waren wahrscheinlich die bestinvestierten 99 Euro ihres Lebens. Und doch zweifelte Valentina Busik kurz, als bei LinkedIn der Aufruf zur Teilnahme an der Wahl zur Miss Germany 2025 erschien. Aus purer Neugier klickte die Ärztin auf den Button und war überrascht, dass es sich dabei schon seit fünf Jahren gar nicht mehr um einen Schönheitswettbewerb handelt, sondern um ein Female-Empowerment-Netzwerk, das Frauen auszeichnet, die Verantwortung übernehmen.
„Doch die Anmeldefrist lief schon in zwei Tagen aus, ich saß mit einer frisch gebrochenen Schulter im ICE, und dann musste man auch noch ein Video von sich hochladen, in dem man seine Mission erläutert“, erzählt die Dermatologin. „Ich war gar nicht gut beieinander.“
Aber wie heißt es so schön: Not macht erfinderisch. Valentina Busik ließ einfach ihren KI-Avatar für sich sprechen. „Der hat mich vorgestellt, erklärt, woran ich arbeite und wie ich mir meine Zukunft ausmale. Ich beendete mein Video mit dem Satz: Und wenn ich euch überzeugen konnte, könnt ihr jetzt auch gerne die echte Valentina einladen.“
Gesagt, getan. Das ist nun ein Jahr her, und die 28-Jährige hat seitdem nicht nur den Titel der Miss Germany im Februar 2025 gewonnen, sondern seit Mai auch ihren Doktor-Titel in Medizin.
Welcher Titel ist der wichtigere?
In ihrem jeweiligen Bereich sind beide Titel sehr wichtig. In der Medizin spielt der Doktortitel eine viel größere Rolle, aber wenn es um meine Mission geht, sind die Be-kanntheit und das Netzwerk, das mir die Miss-Germany-Wahl beschert hat, unbezahlbar.
Was genau ist Ihre Mission?
Ich kämpfe für eine verständliche Medizin – damit keine Patientin und kein Patient das Arztzimmer mit mehr Fragen verlässt als vorher. Unabhängig von Bildungsstand, emotionaler Kapazität, mit welcher Diagnose oder welcher Herkunft die Menschen eine Praxis betreten, sollen am Ende alle gleich gut aufgeklärt sein.
Und wie wollen Sie dieses hehre Ziel erreichen?
Mithilfe eines Arzt-Avatars, einer digitalen Figur, die auf Künstlicher Intelligenz basiert und den jeder Arzt, jede Ärztin von sich selbst herstellen lassen kann. Dieser Avatar erläutert Basiswissen in Aufklärungsvideos zu Operationen oder Behandlungen, die den Patienten per Tablet noch vor dem eigentlichen Arztgespräch im Wartezimmer zur Verfügung gestellt werden. Und zwar in allen Sprachen und leicht verständlich, ohne Fremdwörter.
Sollen Avatare etwa die Ärzte ersetzen?
Nein, im Gegenteil. Es geht darum, die Patienten schon im Vorhinein umfassend zu informieren. Mal ehrlich, wenn man in eine Klinik kommt, hat man seine Diagnose ja meist schon, aber tausend offene Fragen. Und an einer Uniklinik wie in Gießen, an der ich beschäftigt war, hat man als Ärztin im Schnitt 15 Minuten pro Patientengespräch – egal, ob es um Krebs oder Neurodermitis geht.
Das ist natürlich viel zu knapp, um alle Fragen zu beant-worten. Noch dazu in einer oft emotional aufgeladenen Stimmung. Die KI-Videos kann man sich schon per App zu Hause ansehen und wichtige Punkte mit der Familie besprechen. Wenn etwas unklar bleibt, kann man sie auch zehnmal hintereinander anschauen. Das verschafft dem Arzt am Ende Zeit, ein viel entspannteres Gespräch zu führen und die wirklich wichtigen, tiefgehenden Fragen zu klären. So fühlt sich der Patient auf Augenhöhe.
Viele Menschen haben noch Berührungsängste mit Künstlicher Intelligenz.
Das nimmt gerade rapide ab durch ChatGPT und die KI auf Google oder WhatsApp, die wir fast alle intuitiv benutzen. Am Ende soll die KI uns Aufgaben abnehmen und das Leben leichter machen. Im Falle des Arzt-Avatars sollen diese die Gestalt der Ärzte nachahmen, die Stimme und Mimik imitieren. Die Inhalte selbst kommen nach wie vor von den Praxen oder Kliniken und sind von echten Menschen hergestellt und geprüft. Das ist auf jeden Fall sicherer, als sich bei Dr. Google durchzufragen.
Wie echt sollte so ein Avatar denn aussehen?
Idealerweise sollte der Avatar von Dr. Müller haargenau so aussehen wie der echte Dr. Müller. Das schafft nicht nur Vertrauen, sondern zeigt auch, dass der Arzt Verant-wortung übernimmt. Technisch ist das möglich. Und das Beste: Die Dr. Müller-KI hat nie schlechte Laune, ist immer in bester Tagesform, klingt immer gleich empathisch, und sogenannte dumme Fragen gibt es hier auch nicht.
Aber gleichzeitig muss immer klar sein, dass Dr. Müller ein KI-Avatar ist – das ist die Voraussetzung für die Nutzung.
Es gibt Studien, in denen Menschen sich von einem psychotherapeutischen Chatbot besser verstanden fühlen als von ihrem Psychologen.
Das klassische Medizinstudium ist sehr theoretisch und nicht darauf ausgerichtet, zu lernen, wie man Menschen zum Beispiel eine schwere Diagnose überbringt. Das Zwischenmenschliche kommt leider oft zu kurz. Mittlerweile gibt es aber auch hierfür KI-Systeme, die bei Patientengesprächen mithört. Natürlich nur mit deren Einverständnis. Hinterher gibt sie den Ärzten Feedback, wo und wie sie empathischer reagieren können. Ein tolles Trainingstool.
Sie haben selbst früh Erfahrungen mit Ärzten sammeln müssen, die mehr als ignorant waren?
Ich hatte als kleines Kind eine schwere Nierenerkrankung und war oft im Krankenhaus. Durch eine angeborene Verengung der Harnleiter am Übergang zur Blase hatte ich immer wieder Harnwegsinfekte, was aber erst erkannt wurde, als ich schon einen Nierenstau hatte. Das ist sehr schmerzhaft und gefährlich und musste dringend operiert werden.
Die Ärzte in Kasachstan erklärten damals, dass solche Eingriffe dort nicht durchgeführt werden – man müsse dafür ins Ausland, am besten zurück nach Deutschland, da wir von dort stammen und es so am einfachsten wäre. Doch in Deutschland sah man zunächst keine Notwendigkeit für eine Operation.
Erst durch das persönliche Engagement eines befreundeten Arztes meiner Eltern bekamen wir schließlich einen OP-Termin. Danach ging es mir viel besser, doch ich war immer das unsportliche Kind der Familie. Während meine Brüder mit meinem Vater Fußball spielten, steckte ich meine Nase in Bücher.
Sie sind dann in Deutschland geblieben?
Ja, wir waren Spätaussiedler. Ich war ein sehr schüchternes Mädchen, und mir war es auch unheimlich peinlich, russisch zu sprechen. Heute weiß ich, dass es ein Riesenglück ist, zweisprachig aufzuwachsen. Am Ende stachelte das meinen Ehrgeiz aber an, und ich bekam ein Stipendium für Schüler mit Migrationshintergrund von der START-Stiftung und später das Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Diese Förderung und der Zusammenhalt in der Gruppe haben alles verändert.
Wollten Sie denn schon immer Medizin studieren?
Mein Traum war es immer, Kinderärztin zu werden, auch aufgrund meiner eigenen Geschichte. Deshalb studierte ich Medizin, absolvierte sämtliche klinische Praktika und hatte schließlich schon eine Facharztstelle in meiner Heimatstadt Eisenach bei Erfurt.
Aber die Arbeit in der Kinderarztpraxis enttäuschte mich: Sie bestand überwiegend aus Papierkram – Bescheinigungen, Diskussionen über Impfungen oder unnötige Befreiungen vom Sportunterricht und wenig Einsicht bei vielen Eltern. Deshalb entschied ich mich für Dermatologie. Da finde ich eine höhere Compliance bei den Patienten und Patientinnen.
Dermatologie hat heute auch viel mit ästhetischer Medizin zu tun, auch mit teilweise fragwürdigen Schönheitsidealen. Ist man als Miss Germany da quasi prädestiniert?
Überhaupt nicht! Für mich persönlich sollte der Fokus sowieso weg vom Äußeren hin zu den inneren Werten gelenkt werden. Ich habe die vergangenen zweieinhalb Jahre an der Uni gearbeitet und bisher keine kosmetische Medizin gemacht. Mittlerweile bin ich auch in einer Praxis tätig und arbeite weiterhin rein medizinisch. Ich bin aber auch keine Gegnerin ästhetischer Eingriffe. Jeder und jede darf alles machen, womit er oder sie sich wohlfühlt. Im Moment steht für mich jedoch klar die klassische Medizin im Vordergrund.
Medizin, Unternehmerin oder Misswahlen – in welche Richtung soll Ihre Karriere nun weitergehen?
Bei der nächsten Miss-Germany-Wahl werde ich auf jeden Fall als Jurorin dabei sein, und in Sachen Avatar geht es jetzt in die heiße Phase. Ich habe eine eigene Webseite, und gerade gründe ich gemeinsam mit weiteren Kollegen ein Kliniksystem, das Kabinen in der Notaufnahme von Krankenhäusern aufstellt. In den Kabinen übernimmt ein Avatar die Anamnese und arbeitet einen standarisierten Fragebogen ab.
Brüche, Herzinfarkte und Thrombosen kommen natürlich nach wie vor sofort zum Notarzt. Aber wenn jemand mit Bauchschmerzen kommt, wird in der Kabine nachgefragt und analysiert. Abhängig vom Gesprächsverlauf entscheidet die KI, ob doch wieder eine medizinische Fachangestellte dazukommen muss oder ob bereits eine Diagnose gestellt werden kann. Danach wird man dann an die richtige Stelle weitergeleitet. An der Uniklinik Marburg steht schon ein Prototyp und wird gut frequentiert. Vielen Patienten bleiben so stundenlange Wartezeiten erspart.