© Marie von den Benken
Marie von den Benken mit ihrem neuen Buch "Das Leben ist kein Kinderwunschkonzert"
10. September 2025
Marianne Waldenfels
Schwanger werden? Oft alles andere als kinderleicht. Die Journalistin und Podcasterin Marie von den Benken hat über ihren eigenen Weg zum Glück ein bewegendes Buch geschrieben: Über medizinische und psychische Herausforderungen, Optionen und Alternativen
Mehr als jedes sechste Paar in Deutschland hat Schwierigkeiten bei der Erfüllung seines Kinderwunsches, die Tendenz dabei ist steigend. Auch Marie von den Benken und ihr Partner Alexander haben acht Jahre lang auf ihr Wunschkind gewartet. In "Das Leben ist kein Kinderwunschkonzert" schreibt die Journalistin unter anderem darüber, welche Erfahrungen sie mit verschiedenen Behandlungsmethoden und Kinderwunschkliniken gemacht hat, wie sie mit schmerzhaften Rückschlägen umgegangen ist und sie verrät, was ihr in dieser herausfordernden Zeit seelischen Halt gegeben hat.
Welche Behandlungsmethoden haben Sie ausprobiert?
Wir haben es viele Jahre auf natürlichem Weg versucht – mit allem, was man sich vorstellen kann: Zyklus-Apps, Temperaturmessen, Ovulationstests, Nahrungsergänzungsmittel. Das hat uns in eine skurrile Lebensrealität geführt. Am Ende hatten wir nur noch Sex nach Fahrplan, Leidenschaft spielte kaum noch eine Rolle.
Nach sechs Jahren wagten wir dann drei Inseminationen. Vor allem in der Hoffnung, unserem Liebesleben damit den Druck zu nehmen. Kompetenz hinzuziehen, um Verantwortlichkeiten neu zu verteilen. Aber alle drei waren erfolglos. Schließlich entschieden wir uns für eine IVF mit Half-ICSI, bei der ein Teil der Eizellen klassisch im Reagenzglas befruchtet wurde, die andere Hälfte per ICSI. Es entwickelten sich drei Blastozysten - aus der zweiten wurde Luca, die dritte liegt noch auf Eis.
Wie haben Sie gelernt, mit den ständigen Hoffnungen und Enttäuschungen umzugehen?
Das Schwierigste war das offene Warten ohne zeitlichen Horizont. Hätte mir jemand gesagt: „Es dauert sechs Jahre, dann klappt es“, ich hätte diese Frist akzeptieren können. Aber diese Endlosschleife aus Hoffnung, permanentem Reinhorchen in den eigenen Körper, Überinterpretation jedes Ziehens - und dann die wiederkehrende Ernüchterung - das war zermürbend.
Wie lange würde das gehen? Wie lange würde wir das als Paar und als Individuen aushalten? Am schlimmsten war die Ohnmacht. Das Gefühl, keinerlei Einfluss nehmen zu können. Alles zu versuchen und immer zu scheitern. Das macht hilflos. Irgendwann habe ich entschieden, mich diesem Kreislauf nicht mehr vollständig auszuliefern. Ich habe begonnen, wissenschaftliche Publikationen zu lesen, mich intensiv mit Studien zu beschäftigen und mir Wissen anzueignen.
Diese kognitive Ebene - die Möglichkeit, den Prozess rational einordnen zu können - hat mir extrem geholfen. Der Schritt in die Kinderwunschklinik war ebenfalls entlastend, weil ein Teil der Verantwortung von mir als Einzelner auf ein professionelles, medizinisches Team überging.
Zusätzlich habe ich begonnen, Tagebuch zu führen und in der Psychotherapie offen über Schmerz und Hilflosigkeit zu sprechen. Mit dieser Kombination aus Wissen, professioneller Begleitung und Reflexion konnte ich durch die Jahre gehen. Das war ein wichtiger Gamechanger. Wenn wir so weitergemacht hätten, das wäre mit Sicherheit in einem Fiasko geendet. Vor allem auf der Paarebene.
Gab es Momente, in denen Sie überlegt haben aufzuhören?
Ja, ursprünglich wollten wir ja gar keine Hilfe in Anspruch nehmen. Wir hatten immer unseren Plan B - ein Kind zu adoptieren oder zur Pflege aufzunehmen, wenn es auf natürlichem Wege nicht klappt. Die drei Inseminationen sollten nur ein wenig nachhelfen. Als auch sie scheiterten, waren wir überzeugt, dass wir unser Glück auf einem anderen Weg suchen müssen, und haben uns intensiv mit Adoption und Pflegekindern beschäftigt. Das war für uns nie eine Notlösung, sondern eine echte Alternative.
Und doch haben sich meine inneren Grenzen auf dieser Reise immer weiter verschoben. Vielleicht, weil uns mit jedem Rückschlag klarer wurde, wie sehr wir uns doch ein leibliches Kind wünschten. Erst wollten wir es nur natürlich versuchen. Dann waren Inseminationen in Ordnung.
Schließlich wagten wir eine IVF - etwas, das mein Partner und ich uns zu Beginn nie hätten vorstellen können. Aber wir hätten uns als gesunde, junge Menschen damals auch nie vorstellen können, dass ich einfach nicht schwanger werde. Und dann war ich bei der IVF sicher: Das mache ich nur ein einziges Mal. Eine zweite Hormonbehandlung wollte ich mir nicht zumuten, und auch heute denke ich, dass ich keine weitere IVF machen würde.
Nach den gescheiterten Inseminationen kam hinzu, dass wir das Vertrauen in unsere damalige Klinik verloren hatten - ich fühlte mich dort nicht ernst genommen. Das war eine schwierige Erkenntnis und eine undankbare Situation. Sich gegen seine Ärzte stellen.
Das beschreibe ich auch sehr ausführlich im Buch, weil ich mir das nicht leicht gemacht habe. Eine weitere Behandlung an diesem Ort war für uns aber ausgeschlossen. Als uns dann eine neue Klinik empfohlen wurde, in der wir uns vom ersten Moment an gut aufgehoben fühlten, wäre es fast fahrlässig gewesen, der IVF nicht eine Chance zu geben.
Welche Strategien oder Routinen haben Ihnen geholfen, in dieser Zeit seelisch stabil zu bleiben?
Vieles war ein Ausprobieren: Psychotherapie, um Ängste und Schuldgefühle klar benennen zu können. Schreiben, um Struktur ins Chaos zu bringen. Und unsere Katzen, die uns schon das Gefühl gaben, eine kleine Familie zu sein. Wer Tiere hat, weiß, wie viel Halt sie geben und Liebe sie schenken können. Und natürlich Alex - die Gewissheit, dass wir einander haben, egal, wie die Geschichte ausgeht.
Einige Frauen erschüttert es schwer in ihrem Selbstbild, wenn sie nicht schwanger werden. Sie empfinden es als Scheitern. Was raten Sie ihnen?
Diese Gedanken kenne ich nur zu gut. Auch ich habe mich oft gefragt: Bin ich zu spät dran? Bin ich weniger Frau, wenn ich nicht schwanger werde? Was habe ich falsch gemacht? Heute weiß ich: Weiblichkeit lässt sich nicht auf Fruchtbarkeit reduzieren. Weiblichkeit ist Vielfalt - sie ist Stärke und Verletzlichkeit, Fürsorge und Kreativität, sie zeigt sich in so vielen Facetten jenseits der biologischen Funktion.
Mein Rat ist deshalb: Gebt euch nicht selbst die Schuld. Sprecht darüber - denn Schweigen macht einsam, während Offenheit verbindet. Und denkt immer daran: Eine Kinderwunschbehandlung ist grundsätzlich auf jeden Fall eine Paarsache. Lasst unbedingt auch euren Partner gründlich untersuchen. Noch immer wird viel zu selten darüber gesprochen, dass die Ursachen für Unfruchtbarkeit mindestens genauso oft beim Mann wie bei der Frau liegen.
Welche Rolle spielte Ihr Partner Alexander in dieser schweren Zeit und wie hat die Kinderwunschzeit Ihre Beziehung verändert?
Alex war mein Anker. Natürlich haben wir gestritten, gehadert - die Kinderwunschzeit war eine Zerreißprobe. Wenn Nähe plötzlich vom Zyklus diktiert wird, wenn Apps und Temperaturkurven bestimmen, wann Intimität stattfinden „muss“, bleibt wenig Raum für Leichtigkeit und Romantik. Nach etlichen Monaten und Jahren begann ich, alles infrage zu stellen: meinen bisherigen Lebensentwurf, manchmal sogar die Beziehung zu Alex.
Doch irgendwann wurde uns klar: Unsere Liebe steht über allem - auch über dem Kinderwunsch. Diese Erkenntnis hat uns getragen, uns stärker gemacht und uns die Kraft gegeben, diese Zeit gemeinsam durchzustehen.
Was würden Sie anderen Betroffenen raten, wenn sie nach der richtigen Kinderwunschklinik suchen?
Die erste Klinik habe ich ganz klassisch nach positiven Internetbewertungen ausgewählt. Die zweite wurde uns von vertrauten Menschen empfohlen - und das war im Rückblick der weitaus bessere Weg. Die Klinik war ein Volltreffer. Am Ende zählt aber vor allem das Bauchgefühl. Man spürt schnell, ob Vertrauen entsteht, ob Fragen gehört und Wünsche ernst genommen werden. Auf dieses Bauchgefühl sollte man unbedingt hören.
Mein Rat: Wenn dieses Gefühl fehlt, bleibt nicht zu lange. Ich habe selbst zu lange ausgehalten, obwohl ich rational längst wusste, dass es nicht passt. Man darf jederzeit wechseln - und man hat das Recht auf die Herausgabe seiner Patientenakte. Niemand beginnt in einer neuen Klinik bei null. Die Zeit in der Klinik zuvor wäre also keine Zeit- oder Geldverschwendung.
Und: Schaut auch auf die Spezialisierung und Erfahrung der Ärzte. Manche Kliniken sind eher auf Standardverfahren fokussiert, andere auf komplexere Fälle oder besondere Diagnostik. Eine Klinik, die sowohl medizinische Expertise als auch ein Klima der Zuversicht vermittelt, ist aus meiner Erfahrung die beste Begleiterin auf diesem Weg.
© Marie von den Benken
Marie von den Benken mit ihrem Sohn Luc
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, damit Paare mit unerfülltem Kinderwunsch besser unterstützt werden?
Kinderwunsch darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Die hohen Kosten sind für viele eine unüberwindbare Hürde. Hier braucht es viel mehr Unterstützung - finanziell, aber auch strukturell: einheitliche Krankenkassenregelungen, weniger bürokratische Hürden, eine bessere Versorgung auch außerhalb der großen Städte und verbindliche psychologische Begleitung.
An jedem Stammtisch, in allen Internetforen und in jeder Talkshow hört man dauernd, dass wir eine ungünstige Geburtenrate haben und wir dringend viel mehr Kinder bräuchten. Kinder sind die Zukunft von allem. Die Familien, die sich sehnlichst Kinder wünschen, werden jedoch kaum unterstützt, wenn es nicht auf natürlichem Weg klappt. Das ist doch absurd.
Das ist ein Thema, dem sich die Politik unbedingt annehmen muss. Außerdem müssen Tabus aufgebrochen werden: Wir brauchen mehr Offenheit im gesellschaftlichen Gespräch, weniger Schuldzuweisungen - und politisch endlich Reformen wie die Legalisierung der Eizellspende. Denn sie würde Frauen, die keine gesunden Eizellen haben, eine echte Chance auf ein leibliches Kind eröffnen und Paare davor bewahren, ins Ausland ausweichen zu müssen.
Wenn Sie Frauen oder Paaren am Anfang dieser Reise einen Rat geben könnten – welcher wäre das?
Mein wichtigster Rat: Wartet nicht zu lange. Wir haben fünf Jahre auf eigene Faust probiert - viel zu lang. Holt euch früh Hilfe, medizinisch wie psychologisch. Sprecht miteinander, bleibt Verbündete, auch wenn der Weg hart wird. Und behaltet im Blick: Es gibt viele Wege, eine Familie zu werden. Am Ende zählt nicht, auf welchem Pfad ihr ankommt, sondern dass ihr euch nicht verliert. Ach so: Und kauft mein Buch. Das alles allererstes natürlich.