© Ann Tarazevich
6. Oktober 2025
Marianne Waldenfels
Psychotherapeutin Klara Hanstein litt selbst unter Panikattacken. Im Interview und in ihrem neuen Buch erklärt sie, wie diese entstehen – und wie man die Angst besiegt
Was genau ist eine Panikattacke?
Eine Panikattacke ist ein plötzlicher, sehr intensiver Angstzustand meist ohne reale äußere Gefahr. Sie tritt in vielen Fällen ohne Vorwarnung auf und geht mit starken körperlichen Symptomen einher: Herzrasen, Atemnot, Schwindel, Zittern, Engegefühl.
Viele Betroffene denken in dem Moment: „Ich sterbe“ oder „Ich verliere die Kontrolle“ obwohl die Panik körperlich ungefährlich ist.
Was passiert bei einer Panikattacke im Körper?
Der Körper schaltet in den Notfallmodus: Adrenalin wird ausgeschüttet, das Herz schlägt schneller, die Atmung wird flacher, die Muskulatur spannt sich an, Verdauung und Denkvermögen werden heruntergefahren.
Kurz gesagt: Der Körper bereitet sich auf Kampf oder Flucht vor, obwohl es keine reale Bedrohung gibt. Ich spreche gerne von einer „Fehlzündung des Nervensystems“.
Und was im Gehirn?
Im Gehirn wird die Amygdala, unsere „Angstzentrale“, aktiv. Sie schlägt Alarm, oft schon bei kleinen Reizen. Gleichzeitig wird der präfrontale Kortex, also der Teil fürs logische Denken, gehemmt. Deshalb können Betroffene in einer Panikattacke oft nicht mehr rational bleiben oder sich selbst beruhigen.
Klara Hansteins neues Buch: Hey Panik, komm mal wieder runter!: 21 Wege mit Panikattacken umzugehen - im Akutfall und langfristig. Kailash Verlag
Wie können wir lernen, unser Nervensystem wieder herunterzufahren?
Da, wie oben beschrieben, das rationale Denken in so einer Ausnahmesituation nicht so leicht möglich ist, können wir zuerst an unserem Körper arbeiten: Atemübungen wirken direkt auf das Nervensystem, Körperlockerungsübungen helfen uns aus der Erstarrung und Anspannung. Alles, was uns gut tut, hilft auch unserem Nervensystem. Das können auch Spaziergänge in der Natur sein oder Zeit mit lieben Menschen. Es braucht kleine, regelmäßige Schritte. Ein Nervensystem, das lange außer Rand und Band war, reguliert man nicht an einem Tag, das braucht viele Wiederholungen.
Was ist der größte Fehler, den man machen kann, wenn man merkt, dass man eine Panikattacke bekommt?
Der größte Fehler ist, gegen die Angst anzukämpfen und einen starken Widerstand gegen sie aufzubauen, weil man sie weghaben will. Dieser Druck führt meist zu Gegendruck und die Anspannung in uns wird größer. Ein Gamechanger kann sein, die Angst anzunehmen, ruhig zu atmen, sie wahrzunehmen und durch sich hindurchfließen zu lassen. Dadurch kann man immer öfter spüren, dass einem die Angst nichts tun kann.
Wie kann der Atem bei einer Panikattacke helfen? Gibt es eine bestimmte Methode, die besonders gut wirkt?
Über unseren Atem haben wir direkten Einfluss auf unser vegetatives Nervensystem. Darum kann er ein wichtiges Tool bei der Bewältigung von Panikattacken sein. Wichtig ist, ruhig einzuatmen und verlängert auszuatmen. Das verlängerte Ausatmen signalisiert unserem Nervensystem, dass es in die Entspannung zurückkommen kann.
Was kann man gegen Ohnmachtsgefühle und Herzrasen tun?
Körperliche Symptome sollten immer ärztlich abgeklärt werden. Das gibt auch Sicherheit, wenn man von ärztlicher Seite im besten Fall hört, dass man gesund ist. Hilfreich kann sein, sich immer wieder ins Hier und Jetzt zurückzuholen. Bei einer Panikattacke „galoppieren“ unsere Gedanken meist in schreckliche Szenarien mit uns davon.
Wir stellen uns bildlich vor, wie wir die Kontrolle verlieren oder an einem Herzinfarkt sterben und schon beginnt sich das Panik-Karussell mit uns zu drehen. Darum so wichtig, sich mit dem Hier und Jetzt zu verbinden. Sich immer wieder zu fragen: Ist das die Meinung der Angst oder die Realität? Man kann auch den Bodenkontakt spüren, um sich nochmal fester in der Gegenwart zu verankern.
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Klara Hanstein ist Klinische Psychologin, Psychotherapeutin – und Angstexpertin
Was haben Menschen, die unter Panikattacken leiden, oft gemeinsam?
Viele haben belastende Erfahrungen oder intensive Stressphasen hinter sich. Oft haben sie auch jahrelang nach außen „funktioniert“, bis „der große Knall“ in Form von Panikattacken kommt. Panikattacken sind meist ein Hilferuf unseres Nervensystems, das keine andere Möglichkeit mehr sieht, als über das Ventil der Panikattacke viel Angestautes loszuwerden.
Haben Sie zwei oder drei ganz einfachen Tipps, die man anwenden kann, wenn man merkt, dass sich eine Panikattacke anbahnt?
Ruhig durch die Nase ein und lange durch den Mund ausatmen.
Die Panik durch sich hindurch fließen lassen.
Sich erinnern, dass diese Zustände vorbeigehen - umso schneller, je weniger man sich dagegen wehrt.
Wo finde ich Hilfe, wenn ich unter Panikattacken leide?
Zuerst zum Hausarzt, um ärztlich alles abzuklären und dann bei PsychotherapeutInnen. Es gibt auch Beratungsstellen oder die Telefonseelsorge als erste Anlaufstelle. Mein neues Buch „Hey Panik, komm mal wieder runter!“ gibt hilfreiches Wissen und praktische, leicht anwendbare Tools an die Hand.