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Gastronom in 5. Generation: Alexander Herrmann
16. Juni 2025
Marianne Waldenfels
Alexander Herrmann über Geschmackstricks, sein hochmodernes Foodlabor und welche Zutaten jedem Gericht sofort Umami verpassen
Er zählt zu den beliebtesten deutschen Spitzenköchen. Der 54-Jährige ist Gastronom in fünfter Generation. Im familieneigenen Posthotel im oberfränkischen Wirsberg leitet Alexander Herrmann gemeinsam mit Tobias Bätz das Zwei-Sterne-Lokal „Aura“, das daran angeschlossene Future Lab „Anima“, in dem an neuen Zubereitungstechniken und Geschmackserlebnissen getüftelt wird, sowie das Bistro „oma & enkel“. Darüber hinaus führt er noch zwei weitere Restaurants in Nürnberg sowie das Dinner-Zelt „Palazzo“ – und den Kiosk im Wirsberger Freibad. Seine zahlreichen Fans begeistert der Franke unter anderem in den TV-Shows Aufgegabelt und The Taste.
Wie erklären Sie Umami jemandem, der noch nie davon gehört hat?
Ich würde Umami als eine Art Lautstärkeregler des Geschmacks beschreiben. Es ist kein wirklicher Eigengeschmack. Durch Umami wird ein Gericht herzhafter, würziger. Stellen Sie sich vor, Sie hören ein Lied. Wenn man viel Umami in ein Gericht steckt, ist es, als würde man den Lautstärkeregler hochdrehen. Es macht das Gericht intensiver, stärker, vollmundiger.
Ist es nicht vor allem in der Sterneküche eine große Herausforderung, dass andere Komponenten nicht durch Umami überdeckt werden?
Übertüncht werden sie in der Regel nicht. Aber wenn man zu viel Umami reinpowert, dann kann man es irgendwann nicht mehr essen. Das ist dann so, als ob man den Lautstärkeregler zu weit hochgedreht hat. Dann hört man den Song nicht mehr, sondern nur noch Krawall.
Welche Zutaten versehen ein Gericht sofort mit Umami?
Der Klassiker ist natürlich Sojasoße. Es gibt auch ein deutsches Produkt mit Umami-Geschmack – Maggi. Die Japaner würden mich wahrscheinlich dafür köpfen, dass ich so etwas sage: Aber Maggi hat denselben Effekt.
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Parmesanrinde enthält viel Umami
Welche Beispiele gibt es noch?
Fangen wir vielleicht einmal andersherum an: Umami wird in erster Linie durch die Salze der Glutaminsäure hervorgerufen. Lebensmittel haben unterschiedlich viel von dieser Glutaminsäure. In dem Moment, in dem man anfängt, ein Produkt zu reifen, gären zu lassen, es zu trocknen oder auch zu brauen, fängt Glutaminsäure so richtig an, sich zu entwickeln.
Gute Beispiele dafür sind Shiitake-Pilze. Wenn die getrocknet sind, haben sie sehr viel Umami. Oder Parmesan. Gerade die Parmesanrinde enthält viel Umami. In einigen italienischen Kochbüchern wird empfohlen, bei der Zubereitung einer Minestrone Parmesanrinde mitzukochen. Wenn man diese Rinde nachher wieder herausnimmt, sieht sie aus wie ein labbriger Kaugummi. Aber man hat so die Glutaminsäure mit in die Brühe gekocht. Gereifte Tomaten haben ebenfalls Umami, weil sie von der Natur so beschenkt wurden, oder auch Sauerkraut.
Ist Glutaminsäure eigentlich dasselbe wie Glutamat?
Es gibt Parallelen. Aber es ist etwas anderes, ob die Glutaminsäure in einem Lebensmittel steckt, das fermentiert oder gereift ist oder ob ich chemisch hergestelltes Glutamat über ein Gericht streue.
Chemisch hergestelltes Glutamat haftet ja ein ziemlich schlechter Ruf an.
Ja, es steht unter anderem im Verdacht, Alzheimer zu fördern. Der Zucker-Ersatzstoff Aspartam soll übrigens eine ähnliche Wirkung haben.
Haben Sie denn schon einmal Maggi zum Kochen verwendet?
Nein, um Himmels willen! Soll ich Ihnen sagen, wann ich zum ersten Mal in meinem Leben Maggi probiert habe? Das war in einer Kochsendung von Johannes B. Kerner, vor etwa 10 Jahren. Mittlerweile habe ich sogar ein Fläschchen zu Hause –meine Frau hat es vor ein paar Jahren gekauft.
Welche Gewürze haben Sie immer zur Hand?
Brotgewürz. Das ist für mich das Curry der Heimat, damit kann man vor allem regionalen Gerichten sofort einen Twist geben. Und Bio-Zitronen. Ich verwende den Abrieb der Schale oder den Saft der Zitronen. Säure tut sehr viel für ein Gericht. Eine für mich ganz wichtige Zutat zum Abschmecken ist Nussbutter: Also die Butter braun werden lassen und ein oder zwei Löffel davon zum Gericht geben. Das ist ein wahrer Aromenbooster.
Geschmacksverstärker in Buchform: „Aura & Anima“ von Alexander Herrmann und Tobias Bätz. 512 S., 89,90 Euro
Auch in Ihrem neuen Buch „Aura“ spielt Umami eine Rolle. Was ist die Idee hinter diesem Werk gewesen?
Durch unser Future Lab Anima – Anima heißt ja Seele –hat unser Sternerestaurant Aura einen ganz besonderen Charakter. Unser Foodscout Joshi arbeitet mit fast 100 Landwirten zusammen und sammelt nicht nur regional, sondern vor allem saisonal perfekte Lebensmittel.
Zum Beispiel Zwetschgen, die nur in einem einzigen fränkischen Dorf wachsen, eine spezielle Kirschsorte, die nur in einem Zeitfenster von zehn bis zwölf Tagen geerntet werden kann. Anschließend müssen wir uns Gedanken machen, wie wir diese Lebensmittel lagern. Manches wird zum Beispiel nach japanischem Vorbild mit Salz gereift, manches in Zucker. Wir arbeiten mit den verschiedensten Fermentations- und Reifetechniken.
Das klingt nach einer kulinarischen Forschungsabteilung, wie man sie zum Beispiel aus der New Nordic Cuisine und dem weltberühmten Restaurant Noma kennt.
Genau. Auf diese Weise haben wir in den vergangenen 15 Jahren ein ganz eigenes Know-how, ganz eigene Geschmäcker und Lebensmittel entwickelt. In diesem Buch legen wir die geheimsten Rezepte unseres Future Labs offen – und auch, wie wir sie in unserem Sternerestaurant verarbeiten.