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Ginseng ist seit Jahrhunderten fester Bestandteil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM)
28. Juli 2025
Hanja Niederhammer
Libido, Wechseljahresbeschwerden, Haut - darauf soll sich Ginseng positiv auswirken. Doch was steckt dahinter? Ein studienbasierter Blick auf mögliche Effekte bei Frauen
Ginseng gilt als pflanzliches Multitalent - vor allem Frauen versprechen sich davon mehr Energie, hormonelle Balance und schöne Haut. Doch was davon ist wissenschaftlich belegt? Dieser Artikel wirft einen fundierten Blick auf Studien, Wirkmechanismen und offene Fragen.
Ginseng (Panax ginseng), ist auch bekannt als koreanischer oder asiatischer Ginseng. Die Heilpflanze stammt aus den bewaldeten, bergigen Regionen Koreas und Chinas. Ihre knollenartige Wurzel wird seit Jahrhunderten in der traditionellen Medizin geschätzt - heute dient sie als Grundlage für Nahrungsergänzungsmittel und pflanzliche Arzneien. Ginseng ist in verschiedenen Formen erhältlich und wird je nach Verarbeitung als weiße, rote oder fermentierte Variante verwendet.
Er soll Energie spenden, bei Wechseljahrsbeschwerden helfen, das Immunsystem stärken und sogar die Libido ankurbeln: Ginseng gilt als wahres Multitalent unter den pflanzlichen Mitteln. Gerade Frauen greifen immer häufiger zu - sei es bei Erschöpfung, hormonellen Schwankungen oder als Begleiter in stressigen Lebensphasen. Doch welcher Ginseng passt eigentlich zu wem? Und: Gibt es die Sorte, die für Frauen besonders geeignet ist?
Fest steht: Ginseng ist nicht gleich Ginseng. Er wird unterschieden nach botanischem Ursprung und Vearbeitungsart.
Übrigens: Wenn hier von „Ginseng“ die Rede ist, meinen wir meist Panax ginseng - also den asiatischen bzw. koreanischen Ginseng. Er ist der Klassiker unter den Ginseng-Arten und gleichzeitig der, zu dem es die meisten Studien gibt.
Die Wissenschaft hat mittlerweile das jahrhundertealte Erfahrungswissen bestätigt. Heute lassen sich die Unterschiede zwischen den Ginseng-Arten auch auf biochemischer Ebene nachweisen - insbesondere im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Verarbeitung.
Eine aktuelle Übersichtsarbeit bescheinigt Ginseng positive Effekte bei Müdigkeit, Libido, Wechseljahrsbeschwerden und sogar bei Stoffwechsel- und Entzündungswerten.
Was allerdings fehlt, sind direkte Vergleichsstudien zwischen den Verarbeitungsarten.
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Die Wechseljahre sind für viele Frauen körperlich und mental herausfordernd
Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Schlafprobleme - viele Frauen erleben die Wechseljahre als körperlichen und seelischen Drahtseilakt. Wer nicht gleich zum Hormonersatz greifen will, sucht nach sanfteren Alternativen. Genau hier kommt Ginseng für die Frau ins Spiel: als pflanzlicher Unterstützer in einer Zeit des Umbruchs.
Eine systematische Übersichtsarbeit aus Korea nahm vier randomisierte Studien mit postmenopausalen Frauen unter die Lupe.
Das Ergebnis: In einer Studie zeigte Roter Ginseng Wirkung bei Frauen auf das sexuelle Empfinden und das allgemeine Wohlbefinden im Vergleich zu Placebo. Eine andere zeigte Verbesserungen im sogenannten Kupperman-Index - einem etablierten Maß für menopausale Symptome.
Zwei weitere Studien lieferten durchwachsene Resultate: Während eine positive Effekte auf depressive Verstimmungen beschrieb, zeigte sich in einer anderen kein Einfluss auf die Häufigkeit von Hitzewallungen.
Die Ergebnisse sind ermutigend, aber aufgrund der kleinen Teilnehmerzahlen und unterschiedlichen Studiendesigns noch nicht eindeutig.
Stärker ist der Befund einer neuen Meta-Analyse aus dem Jahr 2022: Sie wertete 15 placebo-kontrollierte Studien aus und zeigt, dass Ginseng typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen lindern kann. In mehreren Studien verbesserte sich zudem die Lebensqualität der Frauen. Auch psychische Belastungen wie Reizbarkeit oder Nervosität nahmen ab.
Ein entscheidender Aspekt: Diese positiven Effekte traten ohne direkte hormonelle Wirkmechanismen auf.
Ginseng gehört zu den sogenannten Adaptogenen: Er greift nicht direkt in den Hormonhaushalt ein, unterstützt aber das hormonelle Gleichgewicht - etwa über stressregulierende und entzündungshemmende Effekte. Eine Hilfe für Körper und Psyche, ohne selbst hormonell zu wirken.
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Ginseng wird oft als pflanzliches Mittel zur Steigerung der Lust bei Frauen angepriesen
Wenn die Lust auf der Strecke bleibt, suchen viele Frauen nach sanften Wegen, um ihr sexuelles Wohlbefinden zu stärken. Ginseng, insbesondere der koreanische rote Ginseng, wird dabei oft als pflanzlicher Helfer genannt. Trägt die Wissenschaft diese Einschätzungen mit?
Eine koreanische Studie aus dem Jahr 2021 untersuchte 55 prämenopausale Frauen, die aufgrund einer gynäkologischen Krebserkrankung frühzeitig in die Menopause versetzt wurden. Über zwölf Wochen hinweg erhielten sie täglich 3 g Ginseng oder ein Placebo. Während sich die allgemeinen Wechseljahresbeschwerden in beiden Gruppen verbesserten, zeigte sich in der Ginseng-Gruppe eine signifikante Linderung sexueller Beschwerden wie vermindertem Verlangen oder Unlust.
Allerdings zeigt eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2022, die 15 placebo-kontrollierte Studien analysierte, dass Ginseng insgesamt keine signifikanten Effekte auf die sexuelle Funktion bei menopausalen Frauen hatte
Ginseng wird oft als pflanzliches Mittel zur Steigerung der Libido bei Frauen angepriesen. Einzelne Studien liefern durchaus Hinweise auf positive Effekte. Doch insgesamt ist die Studienlage noch zu uneinheitlich und begrenzt, um klare Empfehlungen abzuleiten. Die Frage nach der luststeigernden Wirkung bleibt also offen - ein Forschungsfeld mit Potenzial, aber noch ohne eindeutige Antwort.
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Eine chinesische Langzeitstudie aus dem Jahr 2022 liefert vielversprechende Beobachtungsdaten: Frauen, die regelmäßig Ginseng einnahmen, erkrankten seltener an bestimmten Krebsarten
Auch bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Brustkrebs rückt Ginseng zunehmend in den Fokus - als pflanzliche Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung.
In einer randomisierten, doppelblinden Studie erhielten 40 Frauen mit frühem, nicht-metastasiertem Brustkrebs über die Dauer ihrer Chemotherapie täglich 1 g Ginseng oder ein Placebo.
Das Ergebnis: Während die Lebensqualität in der Placebo-Gruppe messbar sank, blieb sie unter Ginseng stabil - in allen untersuchten Bereichen: körperlich, emotional, sozial und funktionell. Besonders auffällig war der Effekt auf das emotionale Wohlbefinden und die Brustkrebs-spezifische Symptomskala.
Eine zweite Studie desselben Autorenteams untersuchte mögliche herzschützende Effekte. 30 Patientinnen erhielten erneut Ginseng oder Placebo - diesmal mit Fokus auf die sogenannte Ejektionsfraktion, ein Maß für die Pumpkraft des Herzens. Unter Ginseng blieb diese weitgehend erhalten, während sie im Placebo-Arm deutlich abnahm. Die Autoren schlussfolgern, dass Ginseng vor einer frühen, chemotherapiebedingten Herzschwäche schützen könnte.
Eine chinesische Langzeitstudie aus dem Jahr 2022 liefert vielversprechende Beobachtungsdaten: Frauen, die regelmäßig Ginseng einnahmen, erkrankten seltener an bestimmten Krebsarten. Tier- und Zellstudien zeigen zudem: Ginseng wirkt antioxidativ, senkt entzündungsfördernde Botenstoffe und könnte dadurch zellschützende Effekte entfalten.
Wichtig: Auch wenn Ginseng vielversprechende Ergebnisse zeigt, sollten Patientinnen mit Brustkrebs die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln stets mit ihrem behandelnden Arzt oder ihrer Ärztin absprechen. Bestimmte Präparate können Wechselwirkungen mit der Krebstherapie haben oder deren Wirkung beeinflussen. Eine individuelle Beratung ist daher unerlässlich.
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Wie sich Ginseng auf eine Schwangerschaft beim Menschen auswirkt ist noch nicht ausreichend erforscht
Was passiert, wenn ein Wirkstoff im Tierversuch harmlose oder sogar positive Effekte zeigt - aber beim Menschen kaum erforscht ist? Genau in diesem wissenschaftlichen Niemandsland befindet sich Panax Ginseng, wenn es um die Schwangerschaft geht.
Aktuelle Tierstudien geben zwar zunächst Entwarnung: Selbst in hohen Dosierungen traten bei trächtigen Ratten keine Fehlbildungen auf. In einzelnen Experimenten konnten Ginsenoside wie Rg2 sogar das fetale Wachstum und Überleben verbessern. Doch dieser Hoffnungsschimmer hat einen Haken: Die Daten stammen ausschließlich aus dem Labor - nicht aus Kliniken. Bisher fehlt jede solide Humanstudie, die Wirkung und Sicherheit beim Menschen überprüft.
Das bedeutet: Niemand weiß mit Gewissheit, wie sich Ginseng auf eine Schwangerschaft beim Menschen auswirkt. Genau deshalb rät die Fachliteratur zur Zurückhaltung - oder gleich ganz zur Vermeidung. Denn solange es mehr offene Fragen als Antworten gibt, ist Vorsicht mehr als angebracht.
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Zur Zeit wird erforscht, wie Ginseng das Haarwachstum beeinflussen kann
Glattere Haut, weniger Falten - und vielleicht bald volleres Haar? Ginseng scheint mehr zu können als nur Energie spenden.
In einer koreanischen Doppelblindstudie trugen 21 Frauen zwölf Wochen lang eine Emulsion mit Panax-Ginseng- und Weißdorn-Extrakt auf eine Gesichtshälfte auf, die andere blieb Placebo-behandelt.
Das Ergebnis war sichtbar und messbar: Weniger Falten, reduzierte Rauheit und ein deutlich verbesserter Feuchtigkeitshaushalt auf der Ginseng-Seite. Die Hautstruktur wirkte glatter, der sogenannte Photodamage-Score - ein Marker für UV-bedingte Hautalterung - sank signifikant.
Auch in der Petrischale überzeugte Ginseng: In-vitro-Tests zeigten, dass die Ginsengmischung die Bildung von Prokollagen fördert und den Abbau durch hautschädigende Enzyme hemmt. Fermentierte Ginsengextrakte könnten sogar noch weiter gehen: Frühere Studien zeigen, dass sie Pigmentflecken mildern und die Kollagenproduktion ankurbeln können – ein potenzieller Gamechanger in der Anti-Aging-Kosmetik.
Auch hier liefert Ginseng erste Hoffnungsschimmer - zumindest im Labor. In einer Studie stimulierten Extrakte aus rotem Ginseng das Wachstum menschlicher Haarfollikelzellen und beschleunigten bei Mäusen das Haarwachstum deutlich. Die Wirkstoffe setzten genau dort an, wo hormonell bedingter Haarausfall beginnt: Sie blockierten die Wirkung von DHT, einem Testosteron-Abkömmling, der das Haarwachstum hemmt.
Zwar fehlen bislang klinische Studien am Menschen, vor allem bei Frauen - doch die bisherigen Ergebnisse deuten an: Ginseng könnte sich in Zukunft als natürliches Mittel gegen Falten und schwindende Haarfülle profilieren.
Ginseng wirkt nicht wie ein klassisches Hormonpräparat. Stattdessen beeinflussen seine Inhaltsstoffe (v. a. Ginsenoside) biochemische Systeme, die mit Stressregulation, Stimmung und Zellschutz zu tun haben. In Zell- und Tiermodellen zeigte sich unter anderem:
Diese Mechanismen könnten erklären, warum Ginseng bei Erschöpfung, Stimmungsschwankungen oder Hautproblemen unterstützt - auch ohne direkt in den Hormonhaushalt einzugreifen.