Mikroplastik im Körper: Gefahr für die Gesundheit oder nur modernes Schreckgespenst?

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Wer wirklich in Richtung Longevity denkt, muss sich nicht primär vor Plastik fürchten – sondern vor Inaktivität, Übergewicht und Entzündungsprozessen im Körper

16. Juli 2025

Nils Behrens

  • Health

Mikroplastik im Körper: Gefahr für die Gesundheit oder nur modernes Schreckgespenst?

Nils Behrens ist Top-Experte in den Bereichen ganzheitliche Medizin und Prävention und Host des Podcasts „Healthwise“. Seine aktuellen Kolumne dreht sich um Mikroplastik: Denn es ist überall – in der Luft, im Wasser, im Essen. Aber bedroht es wirklich unsere Gesundheit? Oder ist das mediale Echo größer als das tatsächliche Risiko?

Sie atmen es ein. Sie trinken es. Und ja, Sie essen es. Mikroplastik ist längst kein Problem mehr der Ozeane – es ist in Ihrem Blut, Ihrer Lunge, Ihrer Plazenta, Ihrem Darm. Die Frage ist nur: Was macht es mit Ihrer Gesundheit?

Mikroplastik in uns: Der unsichtbare Feind?

Mikroplastik ist omnipräsent. Es stammt aus abgeriebenem Autoreifenstaub, synthetischen Textilien, Verpackungsmaterialien oder Kosmetika – und findet über Luft, Wasser und Nahrung den Weg in den menschlichen Organismus. Aber wie gefährlich ist diese Belastung wirklich?

Was sagen die Daten?

Wissenschaftlich betrachtet ist die Lage komplex, aber keineswegs eindeutig alarmierend. Hier ein Blick auf die Messwerte aus humanbiologischen Studien:

  1. Lungengewebe: 1,42 Mikroplastikpartikel pro Gramm
  2. Blut: 1,6 Mikrogramm pro Milliliter
  3. Plazenta: bis zu 0,09 Milligramm pro Gramm Gewebe
  4. Darmgewebe: über 28 Partikel pro Gramm

Das bedeutet: Mikroplastik ist messbar – und es reichert sich in Geweben an. Aber: Das allein macht es noch nicht gefährlich. Der menschliche Körper verfügt über beeindruckende Entgiftungsmechanismen – die Mehrheit der aufgenommenen Mikroplastikpartikel wird innerhalb von 24 bis 72 Stunden wieder ausgeschieden. Über die Leber, die Niere, den Darm und durch Schleimfiltration.


Der Unterschied liegt in der Größe – und in der Evidenz

Kritisch wird es, wenn Partikel kleiner als 2,5 Mikrometer sind. Diese winzigen Teile können Zellbarrieren überwinden und in den Blutkreislauf gelangen. Was sie dort anrichten, ist allerdings noch weitgehend unklar. Bisher gibt es keine belastbaren Langzeitstudien, die Mikroplastik mit Erkrankungen wie Krebs, Alzheimer oder Herzinfarkt kausal in Verbindung bringen.

Der Vergleich mit Feinstaub (PM2.5) zeigt deutlich: Luftverschmutzung durch industrielle Emissionen oder Autoabgase ist weitaus toxischer – und wissenschaftlich eindeutig mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenkrebs und Demenz assoziiert.


Nils Behrens


Mikroplastik: Schlagzeilen vs. Studienqualität

Ein vielzitiertes Beispiel: Eine Studie aus dem Jahr 2024 zeigte Mikroplastik in arteriosklerotischen Plaques. Patienten mit Mikroplastik im Gefäßsystem hatten ein 4,5-fach höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Klingt dramatisch – bis man liest, dass die Studie nur 38 Patienten umfasste, davon nur acht mit nachgewiesenem Mikroplastik. Das reicht bei Weitem nicht aus, um von einer kausalen Verbindung zu sprechen.

Was wir dagegen mit Sicherheit wissen:

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: 17,9 Millionen Todesfälle jährlich
  • Krebs: 9,3 Millionen
  • Diabetes: 1,5 Millionen
  • Mikroplastik? Bisher kein einziger bestätigter Todesfall.


Die wahren Longevity-Killer

Warum also diese mediale Fixierung auf Mikroplastik, während wir die viel klareren Gefahren ignorieren? Die Wissenschaft zeigt uns klar, worauf es ankommt:

  • Bewegungsmangel ist mit fast jeder chronischen Erkrankung assoziiert
  • Ultraverarbeitete Lebensmittel fördern Übergewicht, Insulinresistenz und Entzündungen
  • Schlafmangel erhöht das Risiko für Demenz, Diabetes und Bluthochdruck
  • Chronischer Stress schwächt das Immunsystem und beschleunigt die Zellalterung

Wer wirklich in Richtung Longevity denkt, muss sich nicht primär vor Plastik fürchten – sondern vor Inaktivität, Übergewicht und Entzündungsprozessen im Körper.

Mikroplastik reduzieren – mit Augenmaß

Natürlich macht es Sinn, die Exposition gegenüber Mikroplastik zu minimieren. Aber ohne in neurotischen Perfektionismus zu verfallen. Hier ein paar einfache, aber effektive Maßnahmen:

  1. HEPA-Luftfilter in Wohn- und Schlafräumen installieren
  2. Wasserfiltration mit Umkehrosmose nutzen
  3. Plastik in Küche und Bad gegen Glas oder Edelstahl tauschen
  4. Regelmäßig lüften, um Innenraumluft zu verbessern

Das reduziert nicht nur Mikroplastik – sondern oft auch andere toxische Substanzen und Allergene.

Longevity: Was wirklich zählt – und wirkt

Für mehr Lebensjahre in Gesundheit gibt es bewährte Strategien. Mikroplastikvermeidung gehört sicher dazu, ist aber nur ein Nebenschauplatz. Viel entscheidender:

  • Tägliche Bewegung senkt das Sterberisiko signifikant
  • Echte Lebensmittel schützen den Darm und reduzieren stille Entzündungen
  • Erholsamer Schlaf unterstützt kognitive Leistungsfähigkeit und hormonelle Balance
  • Gezieltes Blut-Tracking macht stille Risiken sichtbar – und behandelbar

Kurzum: Wer sich vor Plastik im Körper fürchtet, sollte sich zuerst um das eigene Metabolische Alter kümmern.


Fazit: Mikroplastik ist nicht Ihr größter Feind

Der Körper kann Mikroplastik erstaunlich gut wieder loswerden. Die Datenlage ist (noch) nicht dramatisch, die Forschung steht am Anfang. Aber was wir längst wissen:

Chronische Erkrankungen wie Atherosklerose, Insulinresistenz oder Neurodegeneration verkürzen Ihre gesunde Lebensspanne massiv.

In der Longevity-Medizin geht es darum, die wichtigsten Stellschrauben zu erkennen – und konsequent zu drehen. Mikroplastik ist dabei eher ein Nebengeräusch als der Taktgeber.

Nils Behrens ist der Chief Brand Officer von Sunday Natural und Host des Podcasts HEALTHWISE. Außerdem unterrichtet der gefragte Health-Experte als Dozent an der Hochschule Fresenius. Vorher arbeitete Behrens über 12 Jahre als Chief Marketing Officer der Lanserhof Gruppe und Gastgeber des erfolgreichen „Forever Young“-Podcasts.

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