Endometriose: Symptome, Diagnose und moderne Behandlung

© Andrea Piacquadio

15. Juli 2025

Lena Sämann

  • Gynäkologie
  • Health

Endometriose: Symptome, Diagnose und moderne Behandlung

Viele Frauen leiden unter Endometriose, dennoch vergehen oft Jahre bis zur korrekten Diagnose. Erfahren Sie hier alles über Symptome, Ursachen, Diagnoseverfahren und moderne Behandlungsmöglichkeiten

Ein Interview mit

Dr. Petra Eisenmann

Endometriose betrifft weltweit etwa 10-15% aller Frauen im gebärfähigen Alter und ist dennoch eine oft verkannte Erkrankung. Die chronische Krankheit kann zu starken Schmerzen, Unfruchtbarkeit und erheblichen Einschränkungen im Alltag führen. Trotz ihrer Häufigkeit vergehen oft Jahre bis zur korrekten Diagnose. Unser umfassender Ratgeber klärt über Symptome, Ursachen, Diagnoseverfahren und moderne Behandlungsmöglichkeiten auf.

Was ist Endometriose? Definition und Grundlagen

Endometriose ist eine gutartige, aber chronische Erkrankung, bei der sich Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter ansiedelt. Diese sogenannten Endometriose-Herde können an verschiedenen Stellen im Körper auftreten, am häufigsten im kleinen Becken. Wie die normale Gebärmutterschleimhaut reagieren auch diese Herde auf hormonelle Veränderungen während des Menstruationszyklus.

Das Gewebe baut sich monatlich auf und ab, kann aber nicht wie bei der normalen Menstruation abfließen. Dies führt zu Entzündungen, Vernarbungen und der Bildung von Zysten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Endometriose als eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen ein.

Endometriose Symptome: Warnsignale erkennen

Die Symptome der Endometriose können vielfältig sein und werden oft fälschlicherweise als normale Menstruationsbeschwerden abgetan. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:

Hauptsymptome der Endometriose: Starke Regelschmerzen, die sich von normalen Menstruationsbeschwerden unterscheiden, sind das charakteristischste Symptom. Diese können bereits vor der Periode beginnen und auch nach dem Ende anhalten. Viele Betroffene beschreiben die Schmerzen als krampfartig, stechend oder brennend.

Weitere typische Beschwerden: Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, besonders bei tiefer Penetration, können auf Endometriose hinweisen. Auch Schmerzen beim Wasserlassen oder Stuhlgang, besonders während der Menstruation, sind mögliche Symptome. Ungewöhnlich starke oder lange Menstruationsblutungen sowie Zwischenblutungen kommen ebenfalls vor.

Begleiterscheinungen: Viele Frauen leiden zusätzlich unter chronischer Müdigkeit, Rückenschmerzen, Übelkeit oder Verdauungsproblemen. Diese unspezifischen Symptome erschweren oft die Diagnosestellung und werden nicht immer mit Endometriose in Verbindung gebracht.

Ursachen der Endometriose: Was löst die Erkrankung aus?

Die genauen Ursachen der Endometriose sind noch nicht vollständig erforscht. Mediziner diskutieren verschiedene Theorien, wobei wahrscheinlich mehrere Faktoren zusammenwirken.

Retrograde Menstruation: Die am weitesten verbreitete Theorie geht davon aus, dass während der Menstruation Blut und Gewebeteile durch die Eileiter in den Bauchraum gelangen. Normalerweise werden diese Reste vom Immunsystem beseitigt, bei manchen Frauen siedeln sie sich jedoch an und wachsen.

Genetische Veranlagung: Studien zeigen, dass Endometriose familiär gehäuft auftritt. Frauen, deren Mütter oder Schwestern betroffen sind, haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Bestimmte Genvarianten scheinen die Wahrscheinlichkeit zu beeinflussen.

Hormonelle Faktoren: Östrogen spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung und dem Wachstum von Endometriose-Herden. Ein früher Beginn der Menstruation, kurze Zyklen oder ein später Eintritt in die Wechseljahre können das Risiko erhöhen.

Immunsystem und Umweltfaktoren: Ein geschwächtes Immunsystem kann die Entstehung begünstigen. Auch Umweltgifte, Stress und bestimmte Lebensgewohnheiten werden als mögliche Einflussfaktoren diskutiert.

Endometriose Diagnose: Der Weg zur Gewissheit

Die Diagnose von Endometriose ist oft ein langwieriger Prozess. Im Durchschnitt vergehen 7-10 Jahre zwischen ersten Symptomen und korrekter Diagnose. Diese Verzögerung liegt daran, dass die Beschwerden oft als normale Regelschmerzen interpretiert werden.

Erster Schritt: Ausführliche Anamnese Ein erfahrener Gynäkologe wird zunächst eine detaillierte Krankengeschichte erheben. Dabei sind Informationen über Art, Intensität und zeitliches Auftreten der Schmerzen wichtig. Ein Schmerztagebuch kann dabei helfen, Muster zu erkennen.

Körperliche Untersuchung: Bei der gynäkologischen Untersuchung können vergrößerte Eierstöcke, Verhärtungen oder schmerzhafte Bereiche im kleinen Becken ertastet werden. Diese Untersuchung gibt erste Hinweise, ist aber nicht immer aussagekräftig.

Bildgebende Verfahren: Ultraschalluntersuchungen können größere Endometriose-Zysten (Endometriome) an den Eierstöcken sichtbar machen. Die Magnetresonanztomographie (MRT) bietet detailliertere Bilder und kann auch kleinere Herde aufspüren.

Laparoskopie: Der Goldstandard Die Bauchspiegelung gilt als sicherste Diagnosemethode. Über kleine Schnitte werden eine Kamera und Instrumente in den Bauchraum eingeführt. So können Endometriose-Herde direkt sichtbar gemacht und gleichzeitig Gewebeproben entnommen werden.

„Endometriose manifestiert sich häufig durch unspezifische Beschwerden wie Dysmenorrhoe, Dyspareunie, Dysurie, chronische Unterbauchschmerzen oder Zyklusunregelmäßigkeiten. Diese Symptome werden von Patientinnen und auch von medizinischem Personal nicht selten als ‚normale' Menstruationsbeschwerden fehlinterpretiert. Auch gibt es leider die Tendenz, Schmerzen im Kontext der Menstruation zu bagatellisieren. Viele Betroffene berichten, dass ihnen über Jahre gesagt wurde, ihre Schmerzen seien ‚psychosomatisch' oder ‚normal'“, sagt die erfahrene Gynäkologin Dr. med. Petra Eisenmann.

Behandlung von Endometriose: Moderne Therapieansätze

Die Behandlung der Endometriose richtet sich nach Schweregrad, Symptomen und Kinderwunsch. Ein individueller Therapieplan kombiniert oft verschiedene Ansätze.

Medikamentöse Therapie: Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac können akute Beschwerden lindern und haben zusätzlich eine entzündungshemmende Wirkung. Bei stärkeren Schmerzen kommen auch verschreibungspflichtige Analgetika zum Einsatz.

Hormontherapie: Da Endometriose östrogenabhängig wächst, zielen viele Behandlungen darauf ab, den Hormonspiegel zu beeinflussen. Die Antibabypille im Langzyklus kann Menstruationsblutungen reduzieren und Symptome lindern. GnRH-Analoge versetzen den Körper vorübergehend in einen menopausenähnlichen Zustand.

Operative Behandlung: Bei schweren Fällen oder bei Kinderwunsch kann eine Operation notwendig werden. Während einer Laparoskopie werden Endometriose-Herde entfernt und Verwachsungen gelöst. In extremen Fällen kann eine Hysterektomie (Gebärmutterentfernung) erwogen werden.

Komplementäre Therapien: Physiotherapie, Akupunktur, Yoga und Entspannungstechniken können als ergänzende Maßnahmen zur Schmerzlinderung beitragen. Eine entzündungshemmende Ernährung mit viel Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien wird oft empfohlen.

„Die moderne Endometriose-Therapie ist keine Einheitsbehandlung, sondern ein individualisiertes, dynamisches Therapiekonzept, das je nach Lebensphase, Kinderwunsch, Symptomlage und Vorerkrankungen angepasst werden muss. Neben klassischen Hormonstrategien stehen inzwischen molekulare Substanzen, digitale Tools und integrative Methoden zur Verfügung. Der Trend geht zur personalisierten, lebensphasenorientierten Langzeitbegleitung", weiß Dr. med. Petra Eisenmann vom Premium Medical Circle.

Endometriose und Kinderwunsch: Schwangerschaft trotz Erkrankung

Endometriose ist eine der häufigsten Ursachen für Unfruchtbarkeit bei Frauen. Etwa 30-50% der betroffenen Frauen haben Schwierigkeiten, schwanger zu werden. Die Erkrankung kann die Fruchtbarkeit auf verschiedene Weise beeinträchtigen:

Verwachsungen können die normale Funktion der Eileiter stören und den Transport der Eizelle behindern. Endometriose-Zysten an den Eierstöcken können die Eizellenqualität beeinträchtigen. Entzündungsprozesse im kleinen Becken können zusätzlich die Befruchtung erschweren.

Behandlungsoptionen bei Kinderwunsch: Die operative Entfernung von Endometriose-Herden kann die Fruchtbarkeit verbessern, besonders bei leichteren Formen der Erkrankung. Bei ausbleibendem Erfolg kommen Methoden der assistierten Reproduktion wie In-vitro-Fertilisation (IVF) infrage.

Viele Frauen mit Endometriose können dennoch auf natürlichem Weg schwanger werden. Eine Schwangerschaft kann sogar zu einer vorübergehenden Besserung der Symptome führen, da die hormonellen Veränderungen das Wachstum der Endometriose-Herde hemmen.

Die Gynäkologin Dr. Petra Eisenmann rät: „Jede Frau mit Endometriose und Kinderwunsch sollte frühzeitig eine reproduktionsmedizinische Beratung erhalten – unabhängig von der Schwere ihrer Symptome. AMH und Antralfollikelzahl gehören hier zur Basisdiagnostik. Die Entscheidung zur OP sollte fertilitätsstrategisch gefällt werden und nicht pauschal.“

Leben mit Endometriose: Alltag und Lebensqualität

Endometriose ist eine chronische Erkrankung, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen kann. Viele Betroffene müssen lernen, mit wiederkehrenden Schmerzen umzugehen und ihre Aktivitäten entsprechend anzupassen.

Berufsleben und Endometriose: Starke Schmerzen können zu Fehlzeiten am Arbeitsplatz führen. Offene Kommunikation mit Vorgesetzten und Kollegen kann hilfreich sein. Flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit zum Homeoffice können den Umgang mit der Erkrankung erleichtern.

Partnerschaft und Sexualität: Schmerzen beim Geschlechtsverkehr belasten oft die Partnerschaft. Offene Gespräche, das Ausprobieren verschiedener Stellungen und gegebenenfalls eine Paartherapie können helfen. Wichtig ist, dass beide Partner Verständnis für die Situation entwickeln.

Selbsthilfe und Unterstützung: Der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen oder Online-Foren kann sehr wertvoll sein. Entspannungstechniken, regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung unterstützen das allgemeine Wohlbefinden.

„Schmerz muss man ernst nehmen – auch bei unscheinbarem Befund“, sagt Dr. Eisenmann. „Frauen mit scheinbar ‚milder' Endometriose, aber starken Beschwerden, profitieren oft mehr von zentral orientierten Schmerzstrategien (Physiotherapie, TENS, Achtsamkeit, trizyklische Antidepressiva, Endo-App) als von reiner Hormonblockade. Die Frage sollte nicht lauten: ‚Wie groß ist der Herd?', sondern: ‚Wie groß ist das Leiden?'“ 

Endometriose Stadien: Klassifikation nach Schweregrad

Mediziner teilen Endometriose in verschiedene Stadien ein, um den Schweregrad zu bestimmen und die Behandlung zu planen. Die gebräuchlichste Klassifikation ist die der American Society for Reproductive Medicine (ASRM):

Stadium I (minimal): Oberflächliche Endometrioseherde und wenige oder keine Verwachsungen. Die Beschwerden können trotz geringer Ausdehnung stark sein.

Stadium II (leicht): Oberflächliche und tiefe Endometrioseherde mit leichten Verwachsungen. Eierstöcke sind meist nicht betroffen.

Stadium III (mäßig): Viele tiefe Endometrioseherde, deutliche Verwachsungen und möglicherweise Endometriome an einem oder beiden Eierstöcken.

Stadium IV (schwer): Ausgedehnte tiefe Endometrioseherde, starke Verwachsungen und große Endometriome. Oft sind mehrere Organe betroffen.

Wichtig zu wissen ist, dass das Stadium nicht zwangsläufig mit der Stärke der Beschwerden korreliert. Auch bei geringer Ausdehnung können starke Schmerzen auftreten. „Der Schmerz ist häufig nicht nur zyklusassoziiert, sondern chronifiziert und stark lebensqualitätsmindernd. Schmerzintensität und Symptomschwere sind dabei nicht proportional zur sichtbaren Läsionslast. Das erklärt, warum viele Frauen unter scheinbar ‚milden' Befunden massiv leiden“, erklärt Dr. Eisenmann.

Prognose und Verlauf der Endometriose

Der Verlauf der Endometriose ist individuell sehr unterschiedlich. Bei manchen Frauen bleiben die Symptome über Jahre stabil, bei anderen verschlechtern sie sich oder verbessern sich spontan. Die Erkrankung ist nicht heilbar, aber gut behandelbar.

Faktoren für den Verlauf: Das Alter bei Diagnosestellung, der Schweregrad der Erkrankung und die gewählte Behandlung beeinflussen den weiteren Verlauf. Auch Lebensstilfaktoren wie Stress, Ernährung und körperliche Aktivität spielen eine Rolle.

Langzeitprognose: Mit den Wechseljahren und dem natürlichen Rückgang der Östrogenproduktion bessern sich die Symptome meist deutlich. Bis dahin ist es wichtig, eine individuell angepasste Behandlungsstrategie zu entwickeln und regelmäßige Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen.

Fazit: Endometriose erfolgreich managen

Endometriose ist eine komplexe Erkrankung, die das Leben vieler Frauen erheblich beeinflusst. Frühe Diagnose und individuell angepasste Behandlung sind entscheidend für eine gute Lebensqualität. Modern Therapieansätze ermöglichen es, die Symptome erfolgreich zu kontrollieren und auch bei Kinderwunsch Lösungen zu finden.

Wichtig ist, dass Betroffene ihre Beschwerden ernst nehmen und sich nicht mit dem Argument "das gehört zur Menstruation dazu" abspeisen lassen. Bei anhaltenden, starken Regelschmerzen oder anderen verdächtigen Symptomen sollte unbedingt ein Gynäkologe konsultiert werden. Je früher Endometriose erkannt und behandelt wird, desto besser sind die Aussichten für ein beschwerdefreies Leben.

Mehr zum Thema

-