19. April 2025
Marie Hein
Wer regelmäßig schwimmt, steigert nicht nur seine körperliche Fitness und mentale Kraft, sondern hält auch sein Gehirn in Bestform
Wenn wir ins Wasser eintauchen, verändert sich alles: Der Körper fühlt sich leichter an, der Atem findet seinen eigenen Rhythmus und die Gedanken kommen zur Ruhe. Doch während die äußere Welt leiser wird, läuft das Gehirn auf Hochtouren. Die koordinierte Bewegung fordert das Nervensystem, aktiviert neuronale Netzwerke und setzt biochemische Prozesse in Gang, die nicht nur unsere körperliche Leistungsfähigkeit steigern, sondern auch das Gehirn stärken. Wer regelmäßig schwimmt, trainiert nicht nur Muskeln und Ausdauer – sondern verbessert Konzentration, Gedächtnis und kognitive Flexibilität.
Ob Laufen, Radfahren oder Schwimmen – jede Bewegung wird vom Gehirn gesteuert. Doch gerade während des Schwimmens steht das zentrale Nervensystem vor besonderen Herausforderungen: Um den Körper fließend zu bewegen, müssen beide Körperhälften perfekt koordiniert und synchron arbeiten, anders als beim Laufen oder Radfahren. Damit dies geschehen kann, müssen mehrere Hirnareale präzise zusammenarbeiten. Genau das fördert die Neuroplastizität, also die Fähigkeit des Gehirns, neue Verbindungen zu knüpfen und sich an Herausforderungen anzupassen.
Zudem zählt Schwimmen zu den aeroben Sportarten, also zu den Ausdauer- oder Cardio-Trainings. Dabei werden große Muskelgruppen über einen längeren Zeitraum rhythmisch bewegt, während die Atem- und Herzfrequenz steigen. Das kurbelt die Durchblutung an – auch im Gehirn – und der Körper produziert BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor).
Dahinter versteckt sich ein klitzekleines Protein, das der Neurobiologe und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Gehirnforschung, Martin Korte, als „Hirndünger“ bezeichnet. Aus gutem Grund: Umso mehr BDNF wir haben, umso besser funktioniert unser logisches sowie abstraktes Denken und unsere Gedächtnisleistung. Plus: Der Wachstumsfaktor schützt bestehende Nervenzellen nicht nur, sondern fördert auch die Neubildung von Synapsen.
So ist der Körper in der Lage, sich eine Art Reserve an neuronalen Verbindungen aufzubauen, auf die er in schlechten Zeiten – etwa wenn einige während des Alterungsprozesses verkommen – zurückgreifen kann. Das wiederum hat noch einen ganz anderen Vorteil: Forscher:innen haben herausgefunden, dass Schwimmen sogar einen Einfluss auf neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer hat. Zwar können diese durch regelmäßige Schwimmeinheiten nicht geheilt werden, aber das Risiko daran zu erkranken kann gesenkt und Symptome gemildert werden.
Wer regelmäßig schwimmt kann das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, senken
Laut Martin Korte braucht es schon drei bis vier Einheiten pro Woche, um spürbare Effekte auf Konzentration, Gedächtnis und neuronale Vernetzung zu erzielen. Wichtig ist die Intensität: Ein paar entspannte Bahnen sind gut für das Wohlbefinden, aber für die maximale Ausschüttung von BDNF empfiehlt der Wissenschaftler 20 Minuten kraftvolles Schwimmen. Interessant ist der Vergleich zu anderen Ausdauersportarten: Während Joggen oder Radfahren meist 40 bis 60 Minuten benötigen, um eine ähnliche Wirkung zu erzielen, ist Schwimmen deutlich effizienter.
Schwimmen ist eine der effektivsten und zugleich schonendsten Sportarten. Durch den Auftrieb des Wassers werden die Gelenke entlastet. Gleichzeitig arbeitet der gesamte Körper – von den Beinen über die Rumpfmuskulatur bis hin zu den Armen. Der Wasserdruck fordert zudem das Herz-Kreislauf-System, indem er gegen den Brustkorb drückt und die Atemmuskulatur kräftigt.
Jeder, der schon einmal in einen Pool, See oder ins Meer eingetaucht ist, kennt das Gefühl der sofortigen Entlastung. Dies liegt nicht nur am physischen Auftrieb, sondern auch an der Art, wie unser Nervensystem auf Wasser reagiert. Wie bei anderen Sportarten kommt es zur Ausschüttung des „Glückshormons“ Serotonin – eines Neurotransmitters, der unsere Stimmung, unseren Appetit, Schlaf und unser soziales Verhalten reguliert. Ein Mangel kann unter anderem zu Depressionen oder Schlafstörungen führen.
Was aber das Schwimmen so besonders macht, ist seine mentale Wirkung: Bei kaum einer anderen Sportart müssen wir uns so sehr auf das Hier und Jetzt konzentrieren, nämlich darauf, nicht unterzugehen und kein Wasser zu schlucken. Da bleibt wenig Zeit für endlose Gedankenschleifen, stattdessen wird man gezwungen, sich auf die Bewegung zu konzentrieren.
Zudem haben Studien gezeigt, dass etwa durch das Eintauchen ins Wasser der Vagusnerv aktiviert wird. Dieser sorgt für Entspannung und kann den Cortisolspiegel senken. Gleichzeitig stimuliert das kontrollierte Atmen das parasympathische Nervensystem, das für Regeneration und Stressabbau zuständig ist.
Zuerst einmal: Es ist eigentlich ganz egal, wo man schwimmt – Hauptsache, man schwimmt. Unterschiedliche Gewässer haben allerdings unterschiedliche Auswirkungen auf unseren Körper. Offenes Wasser bietet zusätzliche mentale Vorteile: Das Schwimmen im Meer oder in Seen verstärkt die sensorische Wahrnehmung, weil Temperatur, Strömung und Umgebung variieren. Der Körper muss sich permanent anpassen, was das Gehirn zusätzlich fordert. Pools hingegen bieten eine gleichmäßige, berechenbare Umgebung, ideal für eine meditative Schwimmeinheit.