9. Mai 2025
Hanja Niederhammer
Lange galt Cordyceps als Booster für Energie und Ausdauer - heute beschäftigt sich die Forschung mit der möglichen Wirkung des Vitalpilzes auf die Psyche. Ein Blick auf Mechanismen und Studien
Cordyceps sinensis, auch bekannt als chinesischer Raupenpilz, ist ein Vitalpilz, der in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) seit Jahrhunderten verwendet wird. Der Pilz kann die körperliche, aber auch die psychische Gesundheit auf vielfältige Weise unterstützen, unter anderem kann er das Stressempfinden senken und die mentale Belastbarkeit stärken. In Tierstudien erhöhte Cordyceps die Ausschüttung von Corticosteroiden - ein möglicher Faktor für bessere Stressresistenz und seelische Stabilität.
Der Vitalpilz sorgte erstmals in den 1990er-Jahren für internationales Aufsehen, als chinesische Olympia-Athleten mit außergewöhnlicher Ausdauer glänzten - angeblich dank Cordyceps. Schnell wurde er auch im Westen als natürlicher Leistungsbooster bekannt.
Doch in der Traditionellen Chinesischen Medizin wird Cordyceps seit Jahrhunderten außerdem zur Stabilisierung der Psyche eingesetzt - bei Erschöpfung, Stimmungstiefs oder innerer Unruhe. Auch die westliche Forschung hat in den vergangenen Jahren begonnen, das psychische Wirkspektrum von Cordyceps näher zu untersuchen.
Die Wirkung von Cordyceps auf unsere Psyche ist komplex, denn sie umfasst hormonelle, neurochemische und antioxidative Prozesse. Stressresistenz und seelische Balance sind stark abhängig von körpereigenen Botenstoffen wie Cortisol, Dopamin, Noradrenalin und Serotonin - genau hier könnte der Vitalpilz ansetzen.
Cordyceps zählt zu den Adaptogenen - das sind natürliche Helfer, die den Körper darin unterstützen, mit Stress umzugehen und sich an ihn anzupassen. Mal beruhigend, mal aktivierend wirkt er wie ein biologisches Gleichgewichtssystem, das genau dort eingreift, wo der Körper es braucht.
Besonders die Fähigkeit, die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol je nach Bedarf zu regulieren, rückt die Wirkung von Cordyceps auf die Psyche zunehmend in den Fokus. Für Menschen, die sich unter innerer Anspannung, emotionaler Erschöpfung oder chronischer Belastung befinden, könnte Cordyceps genau das richtige Mittel sein, das für Balance sorgt.
Neurotransmitter wie Dopamin und Noradrenalin steuern unsere Stimmung, Motivation und innere Balance - und genau an diesem sensiblen System könnte Cordyceps ansetzen. Der Vitalpilz enthält den bioaktiven Wirkstoff Cordycepin, der nach bisherigen Studien Einfluss auf die Gehirnchemie nimmt. Eine Studie aus China deutet darauf hin, dass Cordycepin insbesondere die Produktion jener Botenstoffe fördern könnte, die für Antrieb und Wohlbefinden entscheidend sind.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Antidepressiva, die vor allem am Serotoninsystem ansetzen, scheint Cordyceps dabei alternative biochemische Wege zu nutzen - und so auf natürliche Weise Stimmung und emotionale Balance zu fördern.
Oxidativer Stress klingt zunächst abstrakt - doch im Alltag begegnet er uns ständig: chronischer Leistungsdruck, unausgewogene Ernährung, Schlafmangel oder belastende Umwelteinflüsse setzen unseren Zellen zu.
Dabei entstehen sogenannte freie Radikale: hochreaktive Moleküle, die Zellstrukturen schädigen und langfristig Entzündungsprozesse begünstigen können. Diese wiederum stehen im Zusammenhang mit Erschöpfung, innerer Unruhe und gedrückter Stimmung. Ein Teufelskreis, der uns müde macht, auslaugt - und das Gefühl hinterlässt, nicht ganz bei sich zu sein.
Cordyceps könnte auch im Bereich des Zellschutzes eine wertvolle Rolle spielen. In der Studie „Neuroprotective effect of Cordyceps sinensis in a rat model of focal cerebral ischemia“ untersuchte ein Forschungsteam, ob der Pilz das Gehirn vor Schäden bewahren kann. Dazu setzten die Wissenschaftler Ratten gezielt einer Durchblutungsstörung im Gehirn aus - ein Modell, das oxidative Belastung und Entzündungen auslöst.
Die Behandlung mit Cordyceps zeigte vielversprechende Effekte: Der Pilz konnte die Bildung schädlicher freier Radikale verringern und entzündliche Prozesse im Gehirn abschwächen.
Auch in Zellkulturstudien, bei denen Gehirnzellen unter Sauerstoff- und Glukosemangel litten, zeigte Cordyceps ähnliche Schutzmechanismen. Diese antioxidativen Eigenschaften deuten darauf hin, dass Cordyceps nicht nur das allgemeine Wohlbefinden unterstützen, sondern langfristig auch helfen könnte, emotionale Erschöpfung, innere Unruhe oder depressive Verstimmungen besser abzufedern.
Die zuvor skizzierten Wirkbereiche lassen sich bereits aus ersten Studien ableiten - vor allem aus präklinischen Versuchen und Beobachtungen aus der Erfahrungsheilkunde. Doch wie steht es um die wissenschaftliche Evidenz?
Ein genauerer Blick auf die aktuelle Studienlage zeigt: Die Forschung zu Cordyceps und seiner Wirkung auf die Psyche steckt zwar noch in den Anfängen, liefert aber zunehmend vielversprechende Hinweise.
Eine frühe Studie aus 2007 zeigte bei Mäusen, dass Cordyceps depressive Verhaltensweisen lindern könnte - und zwar hauptsächlich durch Einfluss auf Dopamin und Noradrenalin, nicht auf Serotonin.
2014 vertiefte eine weitere Untersuchung diese Erkenntnisse. Cordycepin - ein zentraler Wirkstoff des Pilzes - half Mäusen unter chronischem Stress, depressive Symptome zu reduzieren.
Gleichzeitig wurden entzündliche Prozesse im Gehirn gedämpft und wichtige Botenstoffe wie Serotonin und Noradrenalin stabilisiert. Besonders bemerkenswert: Der Spiegel des Proteins BDNF, das wichtig für neuronale Gesundheit und emotionale Stabilität ist, erhöhte sich deutlich. Ähnliche Effekte zeigten sich auch in einer Zellkulturstudie, in der Cordyceps-Extrakt Gehirnzellen vor Schäden durch Sauerstoff- und Glukosemangel schützte.
Ergänzend dazu untersuchte eine aktuelle Tierstudie aus dem Jahr 2022, ob Cordyceps militaris auch die kognitive Leistungsfähigkeit verbessern kann. Die Behandlung mit bestimmten Polysacchariden aus dem Pilz half Mäusen, Lern- und Gedächtnisprobleme, die durch körperliche Erschöpfung ausgelöst wurden, zu verringern - ein weiterer spannender Hinweis auf die potenzielle Unterstützung für mentale Funktionen.
Ob sich diese Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, muss erst noch genauer erforscht werden.
2018 untersuchte eine klinische Studie, ob Cordyceps die Schlafqualität von Menschen mit Depression verbessern kann. Das Ergebnis war vielversprechend: Teilnehmer, die zusätzlich zu einem Antidepressivum Cordyceps einnahmen, schliefen besser.
Eine Studie aus 2021 hingegen war weniger eindeutig. Cordyceps militaris zeigte hier keinen klaren Vorteil gegenüber einem Placebo. Diese widersprüchlichen Ergebnisse könnten durch unterschiedliche Präparate, Dosierungen oder Teilnehmergruppen entstanden sein, machen allerdings deutlich, dass noch weitere Studien nötig sind.
So vielversprechend Cordyceps auch ist - die Forschung steht noch am Anfang. Belastbare, groß angelegte Humanstudien fehlen bislang ebenso wie klare Vergleiche zwischen unterschiedlichen Extrakten, Formen und Dosierungen. Auch die Langzeitwirkung ist bislang kaum untersucht.
Kurz gesagt: Die bisherigen Erkenntnisse wecken berechtigte Neugier, lassen aber noch keine fundierten Empfehlungen für den Alltag zu.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Antidepressiva, die vor allem am Serotoninsystem ansetzen, scheint Cordyceps dabei alternative biochemische Wege zu nutzen
Die Forschung liefert erste Hinweise, die Wirkung klingt vielversprechend - doch was bedeutet das konkret für den Alltag? Wer Cordyceps gezielt bei Stress, innerer Unruhe oder Erschöpfung einsetzen möchte, steht oft vor ganz praktischen Fragen: Wann ist die Einnahme sinnvoll? Wie wird der Pilz dosiert? Und in welcher Form ist er überhaupt erhältlich?
Cordyceps ist heute in verschiedenen Formen erhältlich - am häufigsten als Kapseln, Pulver oder flüssiger Extrakt. Für viele ist die Einnahme in Kapselform am praktischsten, da sie leicht zu dosieren und unterwegs unkompliziert einzunehmen ist.
Wer es individueller mag, greift zu Cordyceps-Pulver, das sich beispielsweise in Smoothies oder Tee einrühren lässt - geschmacklich ist das eher neutral bis erdig. Auch flüssige Extrakte sind erhältlich, etwa als Tropfen, die direkt eingenommen oder in Wasser gegeben werden können.
Entscheidend ist dabei nicht nur die Form, sondern vor allem die Qualität: Extrakte mit einem standardisierten Gehalt an Cordycepin und Polysacchariden gelten als besonders wirksam.
Wann Cordyceps eingenommen wird, hängt stark vom persönlichen Bedarf und dem gewünschten Effekt ab. Viele Menschen berichten von einer aktivierenden Wirkung - daher wird Cordyceps häufig am Morgen oder spätestens am frühen Nachmittag empfohlen. In stressreichen Phasen, bei mentaler Erschöpfung oder zur allgemeinen Unterstützung der emotionalen Balance, kann eine regelmäßige Einnahme über mehrere Wochen sinnvoll sein.
Wichtig dabei: Cordyceps wirkt nicht akut wie ein Schmerzmittel, sondern entfaltet sein Potenzial schrittweise - durch kontinuierliche Anwendung.
Bei stärkerer psychischer Belastung oder chronischem Stress ist es sinnvoll, die Einnahme mit einem Arzt oder einer Heilpraktikerin abzustimmen, insbesondere wenn der Betroffene bereits Medikamente einnimmt.
So vielversprechend die Cordyceps-Wirkung auf die Psyche auch sein mag - wer gleichzeitig auf psychopharmakologische Medikamente angewiesen ist, sollte eines nicht vergessen: Auch natürliche Helfer können Wechselwirkungen zeigen. Erste Hinweise aus der Forschung legen nahe, dass Cordyceps die Wirkung bestimmter Arzneimittel beeinflussen könnte.
Das bedeutet nicht, dass der Pilz grundsätzlich problematisch ist - aber dass Achtsamkeit gefragt ist. Vor allem, wenn Antidepressiva, Stimmungsstabilisierer oder andere psychotrope Substanzen eingenommen werden, wird ein ärztliches Gespräch dringend empfohlen.
wer gleichzeitig auf psychopharmakologische Medikamente angewiesen ist, sollte vor der Einnahme von Cordyceps mit einem Arzt sprechen
Die Frage klingt simpel - die Antwort ist es nicht. Depression ist eine komplexe, ernstzunehmende Erkrankung, bei der pauschale Lösungen kaum greifen. Zwar gibt es erste Hinweise aus präklinischen Studien, dass Cordyceps stimmungsaufhellend und angstlösend wirken könnte - etwa über eine Beeinflussung von Dopamin und Noradrenalin, zwei zentrale Neurotransmitter für unser seelisches Gleichgewicht. Doch klinische Studien am Menschen stehen noch am Anfang, belastbare Ergebnisse fehlen bislang.
Cordyceps kann daher keine Therapie ersetzen - und will das auch nicht. Aber er könnte unterstützend wirken: als adaptogener Begleiter in stressreichen Lebensphasen, wenn emotionale Erschöpfung und innere Unruhe überhandnehmen. Nicht als schnelle Lösung, sondern als sanfter Impuls, der das System stärkt.
Die Einnahme von Vitalpilzen soll für mehr für Energie, Balance und geistige Klarheit sorgen
Wie ist Cordyceps im direkten Vergleich mit Reishi, Löwenmähne und Chaga zu beurteilen? Vitalpilzen, deren Verbindung zur seelischen Gesundheit schon deutlich bekannter ist?
Alle vier zählen zur Familie der Vitalpilze - doch ihre Wirkprofile sind unterschiedlich. Während jeder Pilz für Energie, Balance oder geistige Klarheit stehen, sprechen sie jeweils andere Ebenen der psychischen Gesundheit an. Cordyceps fällt dabei deutlich aus dem Rahmen - im besten Sinne.
Cordyceps ist der Aktivierende unter den Vitalpilzen. Wie oben erwähnt wird er traditionell mit Ausdauer, Energie und körperlicher Leistungsfähigkeit in Verbindung gebracht. Doch er kann auch die psychische Gesundheit stärken: Als Adaptogen unterstützt er den Körper bei der Stressregulation und könnte - wie Studien festgestellt haben - auch auf das Dopamin- und Noradrenalin-System wirken.
Cordyceps wirkt adaptogen - das heißt: Er unterstützt den Körper dabei, sich an physische und psychische Stressoren anzupassen. Die Wirkung von Cordyceps auf die Psyche kann sich in emotional belastenden Phasen stabilisierend auswirken, etwa bei Stimmungstiefs, innerer Unruhe oder stressbedingter Antriebslosigkeit. Außerdem gibt es Hinweise auf angstlösende Effekte und eine stimmungsaufhellende Wirkung über das Dopamin- und Noradrenalin-System.
Doch was ist mit seinen mykologischen Kollegen?
Cordyceps gilt grundsätzlich als gut verträglich, doch wie bei jedem natürlichen Präparat können individuelle Reaktionen auftreten. Manche Menschen reagieren sensibler auf bestimmte Inhaltsstoffe oder Kombinationen mit Medikamenten. Besonders bei bestehenden Erkrankungen oder wenn bereits Medikamente eingenommen werden, empfiehlt es sich, die Anwendung im Vorfeld mit einer Ärztin, einem Arzt oder in der Apotheke abzustimmen. So lässt sich sicherstellen, dass Cordyceps gut in das persönliche Gesundheitskonzept passt.
Erste Hinweise aus der Forschung zeigen: Bestimmte Inhaltsstoffe aus Cordyceps militaris - sogenannte Polysaccharide - können dazu beitragen, Lern- und Gedächtnisprobleme zu verringern. Die Tests wurden an Mäusen durchgeführt, die Symptome zeigten, wie sie auch bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen vorkommen. Ob sich dieser Effekt auch beim Menschen zeigt, muss jedoch noch genauer untersucht werden.
Die Zeitspanne, bis Cordyceps eine Wirkung auf die Psyche zeigt, kann individuell variieren. Aktuell gibt es keine spezifischen klinischen Studien, die den genauen Zeitraum bis zum Wirkungseintritt bei psychischen Effekten belegen.
Allgemein deuten jedoch Erkenntnisse aus der Forschung zu Adaptogenen darauf hin, dass solche Substanzen - ähnlich wie Cordyceps - nicht akut, sondern über einen längeren Zeitraum wirken. Auch klinische Studien zu Cordyceps, etwa im Zusammenhang mit Schlafqualität und Depression, setzten Einnahmezeiträume von sechs bis acht Wochen an. Eine regelmäßige Einnahme über mehrere Wochen könnte daher sinnvoll sein.