8. Mai 2025
Birgitta Dunckel
Spermidin soll den Alterungsprozess verlangsamen, das Gedächtnis unterstützen und sogar Krebs bekämpfen. Doch was sagen Studien zu den positiven Effekten von Spermidin auf die Gesundheit?
Auf der Suche danach, wie Menschen gesund altern können, ist auch der Botenstoff Spermidin in den Fokus der Longevity-Forschenden gerückt. Eine spermidinreiche Ernährung, so heißt es immer öfter, soll länger jung halten und vor altersbedingten Erkrankungen schützen. Doch was ist eigentlich Spermidin und worin genau liegt sein Anti-Aging-Effekt?
Spermidin ist ein sogenanntes biogenes Polyamin. Seinen kuriosen Namen verdankt der Botenstoff seinem Fundort, wo er zuerst entdeckt wurde: Im menschlichen Sperma. Es kommt jedoch in nahezu allen lebenden Zellen vor – in Pflanzen, Tieren und in den Zellen des menschlichen Körpers – und wird dort auch gebildet.
Spermidin ist eng mit dem Zellwachstum verbunden und für die Zellteilung und -reparatur essentiell. Man weiß inzwischen, dass bei einer Beschleunigung des Stoffwechsels die Menge an Spermidin im Organismus zunimmt und bei einer Verlangsamung abnimmt. Nachgewiesen ist es auch, dass die körpereigene Produktion mit den Jahren nachlässt (etwa ab dem 35. Lebensjahr) – das wiederum lässt das Interesse wachsen, diesen Rückgang in Form von spermidinreicher Ernährung oder Supplementierung auszugleichen, um die wichtigen Reparaturprozesse des Körpers aufrechtzuerhalten oder gar anzukurbeln.
Eines der wichtigsten Effekte von Spermidin ist nämlich seine Fähigkeit, die sogenannte Autophagie, der Selbstreinigungsprozess der Zellen, zu aktivieren: Defekte Zellbestandteile, beschädigte Proteine oder zellulärer Müll werden abgebaut und recycelt. Dieser Vorgang ist wesentlich für die Gesundheit der Zellen und spielt damit eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Alterungsprozesse, Entzündungen und Erkrankungen wie Alzheimer und Krebs.
Die Annahme von Wissenschaftlern: Weil die Autophagie im Alter an Effizienz verliert, kommt es zu krankheitsrelevanten Ablagerungen in den Zellen, die wiederum zu Demenz, Diabetes, Tumoren und Atherosklerose führen können. Die vermehrte Aufnahme von Spermidin – sei es durch Nahrung oder Supplementierung – signalisiert der Zelle, den Selbstreinigungsprozess zu starten und schützt damit vor Ablagerungen und vorzeitiger Alterung.
Studien an Modellorganismen wie Hefezellen, Würmern und Mäusen zeigen auch vielversprechende Ergebnisse: Spermidin verlängerte nicht nur die Lebensdauer, sondern verbesserte auch die Herzfunktion und reduzierte altersbedingte Entzündungen. Die Verabreichung von Spermidin verbesserte sogar die Eizell-Reifung und Fruchtbarkeit von Mäuse-Weibchen.
Erste Studien am Menschen zeigten auf, dass eine spermidinreiche Ernährung offenbar positive Effekte auf Lebenserwartung und Gesundheit der Zellen hat. Spermidin verjünge nicht nur die Zellen, sondern könne auch Entzündungen dämpfen, Cholesterin und Blutdruck senken oder gar Demenz vorbeugen. Gewissermaßen steckt die Forschung hier aber noch in den Kinderschuhen – es braucht mehr Langszeitstudien am Menschen, um sicher sagen zu können, wie effektiv Spermidin als Nahrungsergänzung ist
Cheddar ist besonders reich an Spermidin
Dass es aber nicht schädlich ist, auf eine erhöhte Spermidinzufuhr über die Ernährung zu achten, ist sicher. Das Polyamid findet sich in vielen gesunden Nahrungsmitteln, laut Studien nimmt europaweit jeder Mensch pro Tag zwischen 7 und 25 Milligramm Spermidin über die Nahrung auf. Die individuelle Menge ist abhängig davon, welche Lebensmittel verzehrt werden. Besonders reich an Spermidin sind Weizenkeime, getrockete Sojabohnen, gereifter Käse (wie Parmesan und Cheddar) und Pilze.
Da wir Spermidin auch über die Nahrung aufnehmen können, ist es nicht notwendig, es über Nahrungsergänzungsmittel zu uns zu nehmen. Eine ausgewogene Ernährung reicht in der Regel völlig aus.
„Klartext Nahrungsergänzung", ein Angebot der Verbraucherzentrale, schreibt, dass ein Nutzen durch die Einnahme spermidinhaltiger Nahrungsergänzungsmittel für gesunde Personen bisher in keiner Studie am Menschen belegt werden konnte. Ob und was die regelmäßige Einnahme von Spermidin-Kapseln für die Gesundheit und die Lebenserwartung bringt, sei nicht erforscht. Nahrungsergänzungsmittel mit Spermidin basieren in vielen Fällen auf Weizenkeimextrakten, die Gluten enthalten. Diese Produkte sind für Menschen mit Glutenunverträglichkeit nicht geeignet.
Die erlaubte Höchstmenge an Spermidin als Supplementierung liegt bei 6 Milligramm pro Tag. Vorsicht ist bei Menschen mit Histaminintoleranz geboten: Spermidin kann die körpereigene Freisetzung von Histamin anregen und Beschwerden auslösen.
Der Spermidingehalt in den Körperzellen steigt in der Schwangerschaft und im Wachstum. Aus diesem Grund raten Experten Schwangeren, Stillenden und Kindern davon ab, Nahrungsergänzungsmittel mit Spermidin einzunehmen. Dieses gilt auch für Menschen mit Krankheiten, die mit chronischen Entzündungen einhergehen. Beispiele dafür sind Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Psoriasis und Rheuma.
Menschen, die den Wirkstoff Ethambutol (gegen Tuberkulose) erhalten, sollten auf die Einnahme von Spermidin verzichten, da Spermidin –wie auch Magnesium – die Wirkung des Medikaments abschwächen.
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Christine Bürg, Marianne v. Waldenfels