Im Anfangsstadium wird diese seltene Augenerkrankung oft mit einer nicht ganz regulären Hornhautverkrümmung verwechselt und noch nicht erkannt. Deshalb ist es wichtig durch eine Untersuchung der Hornhautoberfläche und -rückfläche, der Hornhautdicke und ggf. noch einer Zellzahlbestimmung des Endothels einen Keratokonus sicher zu diagnostizieren. Vermutlich handelt es sich bei einem Keratokonus um eine Störung zwischen den Kollagenmolekülen des bindegewebigen Stützgerüstes der Hornhaut, die zu einer geringeren Vernetzung des Kollagens und somit zu einer reduzierten biomechanischen Stabilität der Hornhaut führt. Die Ursachen sind vielschichtig und noch nicht gänzlich geklärt. Für eine genetische Vorbelastung spricht, dass er oft familiär gehäuft auftritt. Es wird deshalb im Rahmen einer zukünftigen Familienplanung empfohlen, eine genetische Untersuchung und Beratung in Anspruch zu nehmen. Auch immunologische Faktoren können eine Rolle spielen. Sicher ist bislang jedoch nur, dass heftiges und häufiges Reiben der Augen über Jahre hinweg, zum Beispiel bei Allergikern, einen hohen Risikofaktor für die Entstehung eines Keratokonus darstellt. Mögliche Konsequenzen des Keratokonus sind ungewöhnliche Schwankungen und Abnahme der Sehschärfe, ein irregulärer Astigmatismus, das Wahrnehmen von Lichtringen um Leuchtquellen, den sogenannten „Halos“ sowie eine erhöhte Lichtempfindlichkeit und Blendung. Bleibt die Krankheit in einem Stadium stehen, in dem sich noch nicht die volle Konusform ausgebildet hat, so spricht man von „Keratokonus forme fruste“. Bei 20 % der Patienten entwickelt sich jedoch ein progressiver Keratokonus, der sich meist progredient fort entwickelt und eine operative Intervention (Crosslinking, Intracorneal Ring Segmente (ICRS), DALK) notwendig macht. Dabei kann es zu Rissen in der hinteren Hornhautmembran – Einriss der Dezemet’schen Membran – kommen, durch die Flüssigkeit aus der vorderen Augenkammer in die Hornhaut eindringt und diese trüb werden lässt. Man spricht dann von einem akuten Keratokonus. Bisher half dann im späten Stadium nur noch eine Hornhauttransplantation.
Da die Therapie des auch fortgeschrittenen Keratokonus unterliegt derzeit eines intensiven Wandels. Die Verwendung der Bowmann’schen Membran einer Spenderhornhaut als Implantat kann hilfreich sein ebenso wie neuerdings die Implantation von halbringförmigen Segmenten einer Spenderhornhaut oder aus Kunstsoff gefertigte Ringsegmente (Intacs).
Interessant ist zudem eine weitere neue Entwicklung zur Behandlung des Keratokonus vor allem wenn man die Hornhauttransplantation erst mal aufschieben möchte: das Xenia® Implantat. Aus natürlichem Hornhautkollagen hergestellt werden artfremde Zellen dezellularisiert, sodass ein sehr verträgliches Implantat ohne Gefäße und Nervenfasern entsteht. Die Herstellung ist der Entwicklung von biologischen Herzklappen nachempfunden.
Weiterführende Informationen finden Sie unter: https://xenia-implant.com/
Crosslinking (CXL)
Nach einer örtlichen Betäubung durch Augentropfen wird vorsichtig die Versiegelungsschicht der Hornhaut, das Epithel, abgetragen, da Riboflavin (Vitamin-B2-Augentropfen) das Epithel nicht durchdringt. Anschließend wird Riboflavin auf die Hornhaut geträufelt, bis diese gut durchtränkt ist. Zuletzt wird die Hornhaut 5 Minuten lang mit UV-A-Licht beschienen. Am Ende der Operation wird eine Verbands-Kontaktlinse auf die Hornhaut gelegt: Diese verbleibt einige Tage auf dem Auge, bis sich das Epithel regeneriert hat.
Iontophorese Crosslinking
Der Begriff „Iontophorese“ setzt sich zusammen aus dem Wort ‚Ion’ sowie dem altgriechischen Wort pherein ‚tragen‘ und bezeichnet eine Methode, mit der Medikamente mithilfe von leicht elektrisch geladenen Ionen durch die Haut hindurch transportiert werden. In diesem Fall wird der Wirkstoff Riboflavin (Vitamin B2) durch das Hornhautepithel in das tiefer liegende Hornhautstroma transportiert, damit er dort wirken kann. Das Iontophorese-Crosslinking gehört somit zu den Verfahren, die auch als Transepitheliales Crosslinking (TE-CXL) bezeichnet werden.
Sehkorrektur mithilfe von Kontaktlinsen
Durch das Tragen von Brillengläsern oder Kontaktlinsen kann der Astigmatismus und die Myopie nach erfolgter Stabilisierung der Hornhaut ausgeglichen werden. Alternativ können auch Kontaktlinsen implantiert werden (EVO Visian ICL).
Intracorneale Ringsegmente (ICRS)
Intracorneale Ringsegmente (ICRS) sind zwei kleine Ringhälften, die ca. ein Jahr nach einer ersten stabilisierenden Behandlung des Keratokonus oder auch zeitgleich in die Hornhaut implantiert werden. Die Ringsegmente stabilisieren und flachen die zentrale Hornhaut ab und können dadurch auch Kurzsichtigkeit korrigieren. Sie bestehen aus einem Polymethylmetacrylat (PMMA), aus dem seit Jahrzehnten Intraokularlinsen (IOL) hergestellt werden. Mit Hilfe eines Femtosekundenlasers wird zuerst ein Tunnel präpariert, in den die Ringsegmente vorsichtig hineingeschoben werden. Diese Technik ist schonender als eine manuelle Implantation. Je nach Befund kann anschließend erwogen werden, eine Implantierbare Kontaktlinse einzusetzen, um die Sehqualität zu verbessern.
Der MyoRing
Der MyoRing ist ein geschlossener Ring, der 0,3 mm unter der Oberfläche in die Hornhaut eingelegt wird. Dort übernimmt er zwei Funktionen: Er flacht die durch den Keratokonus vorgewölbte Hornhaut ab und stabilisiert das Gewebe, indem er den Druck, der von innen auf der Hornhaut lastet, gleichmäßig verteilt. Dadurch kann das Fortschreiten des Keratokonus verlangsamt oder sogar aufgehalten werden.
Der Femtosekundenlaser präpariert eine kleine Tasche (1) in die Hornhaut, Xenia® wird eingesetzt (2) und der Endbefund (3)
Das XENIA® Implantat
Das Implantat besteht aus natürlichem Kollagen der Schweinehornhaut. Diese ist der menschlichen Hornhaut sehr ähnlich. In einem sehr speziellen Verfahren werden fremde Zellen sowie Antigene restlos entfernt, man nennt dies Dezellularisation. Derselbe Prozess wird seit über 30 Jahren zur Herstellung von biologischen Herzklappen genutzt. Es ist damit besser als ein menschliches Transplantat, weil dieses immer Fremdzellen des Spenders beherbergt. Eine weitere Besonderheit ist, dass jedes Xenia® Implantat individuell zu dem anatomischen Hornhautbefund hergestellt wird. Weitere Details zum Implantat, der Herstellung, der Funktionsweise und Literatur finden Sie unter
https://xenia-implant.com.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Keratokonus eine Erkrankung ist, bei der vor allem die richtige und frühzeitige Diagnose von Bedeutung ist. Stark schwankende Astigmatismus- und Myopiewerte sollten den behandelnden Augenarzt aufmerksam machen. Bei der richtigen Diagnose gibt es mit der Prophylaxe des „Nicht Augenreibens“, dem Crosslinking, dem schonenden Iontophorese Crosslinking, den Ringsegmenten und neuerdings mit dem individuell angepassten XENIA® Implantat erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten und um eine Hornhaut Transplantation erstmal zu vermeiden. Leider gelingt das derzeit aber immer noch nicht in allen Fällen. Die neusten Publikationen legen nahe, dass es sich beim Keratokonus um eine beidseitige Erkrankung handelt und deshalb eine prophylaktische beidseitige Therapie.
Formen des Keratokonus
Forme Fruste
Die Forme Fruste ist von ihren Symptomen her von einer normalen Hornhautverkrümmung nicht zu unterscheiden und wird häufig zufällig bei einer genauen augenärztlichen Kontrolle entdeckt. Sie kann mit Brille oder Kontaktlinse korrigiert werden und muss bei stabilem Zustand nicht behandelt, aber beobachtet und regelmäßig kontrolliert werden. Die Forme Fruste ist zehnmal so häufig wie die fortschreitende Form. Als Prophylaxe wird deshalb sehr nachdrücklich empfohlen nicht die Augen mit der Hand zu reiben.
Die progressive Form des Keratokonus
Die progressive Form des Keratokonus ist aggressiv und macht sich oft bereits im Teenageralter bemerkbar. Die fortschreitende Vorwölbung bewirkt eine Verkrümmung der Hornhaut – einen Astigmatismus. Durch diese Unregelmäßigkeit der Hornhaut wird die Korrektur durch eine Brille immer schwieriger. Geeigneter sind Kontaktlinsen, da diese einen Druck auf die Hornhaut ausüben und die gröbsten Unebenheiten ausgleichen können. Ist die Krankheit nicht zu weit fortgeschritten, kann mit Linsen eine gute Korrektur erreicht werden, bis hin zur maximalen Sehkraft. Nimmt die Vorwölbung der Hornhaut jedoch weiter zu, sitzen auch harte Kontaktlinsen weniger stabil und können herausfallen. Zusätzlich wird mit der fortschreitenden Auswölbung die Hornhaut unterhalb des Zentrums immer dünner und vernarbt, was die Sehschärfe unwiederbringlich verschlechtert. Das Behandlungsprinzip orientiert sich strikt an der Sicherheit einer Behandlung und den Erkenntnissen evidenzbasierter Medizin. Auf Basis des Befundes stehen folgende Therapien in dieser Reihenfolge zur Verfügung. Im ersten Schritt wird das Fortschreiten der Erkrankung eingedämmt und im zweiten Schritt eine Sehkorrektur angestrebt.
1. Ein Fortschreiten des Keratokonus stoppen
• Es wird nachdrücklich empfohlen nicht die Augenzu reiben.
• UV-Riboflavin-Crosslinking (CXL)
• Sanftes CXL in Form des Iontophorese Crosslinking (ICXL)
2. Die Sehqualität verbessern
• Sehkorrektur mit Kontaktlinsen jeglicher Art:
• weiche-, formstabile- Kontaktlinsen oder Skleralschalen
• Wenn Kontaktlinsen nicht vertragen werden, können auch implantierbare Kontaktlinsen verwendet werden
• Implantation von Intracornealen Ringsegmenten oder
• Implantation eines Myorings
• NEU: Implantation eines Xenia® Implantates