26. April 2025
Petra Harms
Schäfchenzählen war gestern. Auf Social Media findet man innovative Sleep Hacks - von der Military-Sleep-Methode bis zu Eye Rolling. Aber was hilft wirklich, um den Schlaf zu optimieren und erholter aufzuwachen? Ein Experte klärt auf
Erholsamer Schlaf ist wichtig für die Regeneration des Körpers, die Reparatur der Zellen, das Herz-Kreislauf-System, den Muskelaufbau, die allgemeine Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit und die Psyche. Wer dauerhaft nicht ausreichend schläft, kann als Folge unter Gewichtszunahme, Schlaganfällen, Diabetes und Depressionen leiden.
Umso kritischer, dass 43 Prozent der Deutschen (45 Prozent der Menschen weltweit) mit Schlafproblemen zu kämpfen haben. Ob man mitten in der Nacht aufwacht oder gar nicht erst zur Ruhe kommt – die Not ist groß, die Zahl der Lösungsansätze enorm. Sie reichen von Atemtechniken über CIA-Methoden bis zu Cocktails und Moves, die eher im Zoo als im Bett zu vermuten wären.
Wie ein natürliches Beruhigungsmittel soll die 4-7-8-Atmung des Alternativmediziners Andrew Weil wirken. Dabei liegt man im Bett und atmet 4 Sekunden durch die Nase ein, hält 7 Sekunden die Luft an und atmet 8 Sekunden durch den Mund aus – und wiederholt das Ganze vier Mal. Das soll den Puls senken und Kohlendioxid aus dem Körper transportieren. Nach sechs Wochen sei der Körper mit diesem Rhythmus auf Entspannung programmiert.
Auch die Yoga-Wechselatmung Nadi Shodana soll beruhigen. Dabei wird abwechselnd durch nur ein Nasenloch geatmet: links ein, rechts aus, rechts ein, links aus und so weiter. Das jeweils andere Nasenloch wird mit den Fingern verschlossen. Die Mondatmung (Chandra Bhedana) funktioniert ähnlich: Durch das linke Nasenloch ein-, durch das rechte ausatmen, um den Parasympathikus zu stimulieren und so Stress und Blutdruck zu reduzieren.
Professor Dieter Riemann, Vorstandsreferent der deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), hat über 40 Jahre zu Insomnie, chronischen Schlafstörungen, geforscht und weiß „Atemtechniken sind gute Entspannungsübungen. Alles, was vom nächtlichen Grübeln ablenkt, kann unterstützen, um (wieder) in den Schlaf zu finden.“
Ob es bestimmte Atemintervalle sein müssen? Dafür gäbe es keine Evidenz. Positive Erfahrungen hat der Psychologe mit Übungen aus der kognitiven Verhaltenstherapie gemacht und setzt z.B. neben einer gesunden Schlafhygiene (kein Alkohol, passende Raumtemperatur, regelmäßige Ruhezeiten) auch auf beruhigende Gedankenbilder wie eine sanft flackernde Kerze.
Navy Seals, Wissenschaftlern und Agenten umweht etwas Geheimnisvolles. Da verwundert es nicht, dass die folgenden drei Methoden viral gehen. Innerhalb von zwei Minuten soll man bei der Military Sleep Method einschlafen, bei der man im Liegen zunächst die Gesichtsmuskeln, Kiefer, Zunge bewusst entspannt und ruhig atmet.
Danach wandert die Entspannung den Körper hinab. Schultern werden abgesenkt, die Arme lang gemacht, die Beine bis zu den Zehen relaxt. Wann immer die Gedanken abgelenkt sind, soll man sich sagen: „Denk nicht nach”. „Die Idee basiert auf einer Mischung aus autogenem Training und Progressiver Muskelentspannung und kann tatsächlich beruhigend wirken“, so Professor Riemann.
Das Cognitive Shuffling hat der kanadische Psychologe Luc Beaudoin erfunden. Die Methode zielt darauf ab, das Gehirn während der Einschlafphase sanft zu beschäftigen, indem man sich ein Wort frei wählt und visualisiert, dann aus den Buchstaben weitere Begriffe bildet und vor dem inneren Auge Revue passieren lässt. Aus Obst z.B. Oase, Objekt, Oligarch… Baby, Bambus, Ballermann usw.
Die CIA-Variante stammt aus einem veröffentlichten Dokument von 2003 und sieht vor, dass man im Bett liegt, fünf Mal tief durch die Nase in den Bauch atmet und dann bis 20 zählt. Angeblich schlafen die meisten bereits bei 12. So einfach? „Nein. Der CIA-Hack ist völliger Unsinn“, sagt Professor Riemann, das Gedankenmischen klinge dagegen seriöser. „Schlussendlich ist es nichts anderes als Schäfchenzählen. Beides kann helfen, um das Gedankenkarussell zu verlangsamen. Wer aber beim 7531sten Schaf oder dem hundertsten Wort mit O ankommt ohne einzuschlafen, braucht bei monatelangen Schlafproblemen professionelle Unterstützung.“
Völlig normal ist es dagegen, ab dem 50. Lebensjahr nachts auch einmal aufzuwachen. Mit dem Älterwerden treten auch immer seltener Tiefschlafphasen auf, der Schlaf-Wach-Rhythmus verändert sich.
Besser schlafen: Hat das altbewährte Schäfchenzählen ausgedient?
Nicht nur Zahlen, auch bestimmte Bewegungen sollen für Nachtruhe sorgen. Das Eye Rolling ist ein riesiger TikTok-Favorit: Mit geschlossenen Lidern mehrmals nach oben gucken – et voilà – man schläft durch. Der Trick von Dr. Heather Gordon soll die Melatoninproduktion ankurbeln und die REM-Schlafphase imitieren.
Die unteren Extremitäten sind ebenfalls gefragt: Bei den Cricket Feet werden die Füße aneinandergerieben, um die Durchblutung zu verbessern und den Energiefluss im Körper auszugleichen. Weitaus aktiver kommt der Drunken Monkey daher. Hier stellt man sich breitbeinig hin, bewegt die Hüfte nach links und rechts, rollt dabei mit den Schultern und kreist gleichzeitig mit den Armen. Die Idee hinter dieser etwa einminütigen Übung soll sein, dass die Blutzirkulation gen Extremitäten angeregt wird und man dadurch besser im Schlaf entspannt und durchschläft.
Auch mit geöffneten Vorhängen ist dagegen die Massage des Anmian zu machen. Die Vertiefung liegt etwa 2,5 Zentimeter hinter dem Ohrläppchen und ist ein klassischer Akupunktur-Punkt, der laut TCM etwa 30 Sekunden gedrückt werden muss, um Stress loszulassen und in den Schlaf zu finden. Professor Riemann: „Akupunktur wirkt nicht gegen Schlafstörungen, das ist wissenschaftlich erwiesen.“
Die weiteren Hacks hält der Experte für Internet-Phänomene, denen jede wissenschaftliche Grundlage fehlt. „Sie schaden aber auch nicht und man kann sie ruhig ausprobieren. Denn Studien zeigen, dass der Placebo-Effekt bei Schlafstörungen signifikant ist.“
Magnesium ist das neue Melatonin auf Social Media. Es soll eine entspannende Wirkung auf die Muskeln haben und so den Körper auf nächtliche Ruhe und Regeneration vorbereiten, außerdem hilft es angeblich, den Cortisol- und somit den Stressspiegel zu senken. Am besten seien 800 bis 1600 Milligram Magnesoiumorotat oder -glycinat.
Etwas mehr Glamour verspricht der Name „Sleepy Girl”-Mocktail. Hier werden Sauerkirschsaft, Tonic Water oder Limo und ebenfalls Magnesiumpulver zu einem Schlummertrunk gemixt. „Wir haben die Wirksamkeit von Magnesium untersucht und keinen Zusammenhang mit der Schlaf-Performance feststellen können“, erklärt Schlafexperte Riemann. Mehr noch: Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt eine Tageshöchstmenge von nur 250 Milligramm, wer ohne Mangel Magnesium zuführt, riskiert Durchfall, Blutdruckabfall und Muskelschwäche.